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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sei denn, die französische Flotte ist vor uns und sucht das Gefecht.«
    »Dann müssten wir bald die schweren Geschütze hören, Sir.«
    Doch an diesem langen Nachmittag hörten sie keinen Kanonendonner. Die Männer im Ausguck konnten ringsum keine Segel ausmachen. Allmählich gelangte Hayden zu der Überzeugung, dass es sich bei dem Segelflecken am Horizont nur um ein einzelnes Schiff gehandelt hatte, das in keinem Verband segelte. Denn die Raisonnable war so schnell, dass sie binnen Stunden eine Flotte hätte sichten müssen – es war jedoch nichts dergleichen zu sehen.
    Jenseits des westlichen Horizonts schien das Licht des Tages abzufließen, und die Nacht legte sich geheimnisvoll über das Wasser. Der Wind hatte auf Nord gedreht, und die Raisonnable blieb so hart am Wind wie irgend möglich.
    Hayden schritt auf dem Poopdeck auf und ab und widerstand dem Verlangen, alle Viertelstunde zum Ausguck hinaufzurufen, um nach Lichtern zu fragen – und um sicherzugehen, dass dort oben keiner der Männer eingeschlafen war. Stattdessen suchte er die weite See ständig mit seinem Nachtglas ab, was den Männern im Ausguck nicht entgangen sein dürfte. Denn niemand würde riskieren wollen, dass der Kapitän von seinem Deck aus ein Schiff eher entdeckte als der Mann im Ausguck.
    Schließlich überließ Hayden Leutnant Ransome das Deck und begab sich in seine Kajüte.
    Schnell lag er in seiner Schwingkoje, rechnete aber damit, jeden Augenblick an Deck gerufen zu werden, sobald die ersten Schiffe in Sichtweite kämen. Die Dunkelheit gaukelte einem rasch etwas vor, und Hayden begann sich zu fragen, ob er den alten Kurs nicht hätte beibehalten müssen. Wenn Howe in südlicher Richtung segelte, dann konnten sie eigentlich nur ein einzelnes Schiff entdeckt haben.
    Inzwischen ging Hayden davon aus, dass Howe Prisen genommen hatte und längst die Position oder den Kurs der französischen Flotte kannte. Bestimmt saß er den Franzosen im Nacken. Dass Howe nicht eingeholt werden konnte, erklärte sich Hayden mit den unterschiedlichen Windstärken auf offener See. Ja, Howe hatte gewiss besseren Wind als die Raisonnable , zumindest im Augenblick.
    Da Hayden immer noch nicht wieder ganz bei Kräften war, schlief er die Nacht wie auf wundersame Weise durch, stand aber noch vor Tagesanbruch auf und begab sich an Deck. Der Wind hatte spürbar nachgelassen, die Royalsegel waren gesetzt.
    »Mr Bell«, wandte er sich an den wachhabenden Leutnant. »Wie lautet unser Kurs?«
    »Nord-Nordwest, Sir. Aber der Wind war wechselhaft. Wir waren gezwungen, drei Strich nach Süd zu steuern, später zwei Strich Nord bei unserem gegenwärtigen Kurs. Mr Archer trug mir auf, Sie zu wecken, sobald wir drei Strich abweichen, aber dazu kam es nicht.«
    »Aber Lichter haben Sie nirgends gesehen?«
    »Das Meer ist wie leer gefegt, Sir.«
    »Ja, so ist das oft, wenn man es sich anders wünscht, wie?«
    Hayden trat an die Reling und blickte nach Norden. Der östliche Himmel färbte sich schwach blau-grünlich und drängte die Dunkelheit zurück. Haydens Kajütsdiener brachte Kaffee an Deck, den der frisch ernannte Vollkapitän dankend annahm. Er lehnte an der Reling, nahm genüsslich einen Schluck und gönnte sich einen Moment, um mit Zufriedenheit auf sein neues Kommando zu blicken. Vor gar nicht allzu langer Zeit war eine Beförderung in weite Ferne gerückt, und jetzt stand er hier bei seinem ersten Kommando als Vollkapitän. Aber nicht an Bord einer Fregatte, sondern auf dem Poopdeck eines 64-Kanonen-Schiffs! Allerdings machte er sich bewusst, dass das Kommando vorübergehend sein könnte, und ein leichter Schwindel befiel ihn.
    Als Hawthorne auf der Leiter zum Quarterdeck zu sehen war, lud Hayden ihn mit einem Nicken aufs Deck. Der Hauptmann der Seesoldaten setzte gerade an, als der Ausguck aussang: »Deck! Segel, drei Strich Backbord voraus!«
    Hayden stellte seine Tasse sofort auf das Tablett, das auf einer kleinen Bank stand, griff nach seinem Fernrohr und eilte zur Backbordreling. Schnell richtete er die Linse auf die Stelle, die der Ausguck genannt hatte. Einen Moment lang sah er nichts als die Weite des Ozeans, doch schließlich hatte er einen helleren Fleck von vertrauten Ausmaßen im Rund der Linse.
    »Ja, das ist in der Tat ein Segel!« Hayden trat an die Leiter und rief hinunter aufs Quarterdeck. »Können Sie es sehen, Mr Bell?«
    »Nein, Sir – ah, da ist es. Kann nicht erkennen, was es ist, Sir.«
    »Ein Dreimaster. Mehr weiß ich auch noch

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