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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wissen, Capitaine Lacrosse, dass es im Augenblick sehr viele britische Seeoffiziere gibt, die auf ihre Beförderung warten. Gegenwärtig haben wir gewiss keinen Bedarf an französischen Offizieren.« Er verschwieg, dass sich britische Seeleute lieber erschießen würden, als Befehle von einem Franzosen entgegenzunehmen.
    »Kann ich mich darauf verlassen, dass das, was ich Ihnen zu sagen habe, unter uns bleibt, Kapitän?«, fragte Lacrosse sehr leise und in perfektem Englisch. »Ich kann nicht oft genug betonen, dass bereits Gespräche unter vier Augen – also ein solches Gespräch, wie wir es gerade führen – als Beweise herangezogen werden, um einen Mann zur Guillotine zu verurteilen.«
    »Sie haben mein Wort als britischer Offizier.«
    Lacrosse nickte. »Mir ist bewusst, dass französische Offiziere selten in der Royal Navy dienen, aber der Wohlfahrtsausschuss, nun, ich warne Sie erneut, Kapitän, es braucht nur ein Bürger mit dem Finger auf Sie zu zeigen und zu sagen: ›Ja, den kenne ich. Das ist der Comte de Periger‹ oder was für ein Name auch immer, und das reicht schon. Glauben Sie mir, Männer wurden aufgrund weitaus weniger Beweise exekutiert.«
    »Aber ich bin Engländer …«, protestierte Hayden, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und war wie betäubt von den Andeutungen dieses Mannes.
    »Nicht, wenn Robespierre anderer Ansicht ist.«
    Diener servierten den ersten Gang, aber Hayden war so übel zumute, dass er es im Augenblick nicht wagte, einen Bissen zu probieren. Doch dann beschloss er, ein wenig zu essen, um Lacrosse nicht zu beleidigen. Denn immerhin lag es an dem französischen Kommandanten, wie Haydens Crew bis zur Rückkehr in einen Hafen behandelt wurde.
    »Die Admiralität könnte für meine Nationalität bürgen. Admiral Hood kannte meinen Vater. Philip Stephens, der Erste Sekretär, kennt all die Details meiner Herkunft und meiner Dienstjahre. Ich könnte mich schriftlich an ihn wenden …« Ein Mann wie Stephens war gewiss klug genug, die wahre Herkunft von Haydens Mutter zu verschweigen. Der Erste Sekretär galt als brillanter Staatsdiener. Nie würde er einen so folgenschweren Fehler begehen.
    Es klopfte an der Tür, und kurz darauf trat ein Offizier ein, der leise mit Lacrosses Diener sprach.
    »Wenn Sie mich entschuldigen würden, Capitaine Hayden.« Lacrosse tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab, erhob sich und verließ die Kajüte. Hayden hörte, dass der Kommandant vor der Tür mit dem Offizier sprach, aber er konnte kein Wort verstehen.
    Als Lacrosse wieder eintrat, erschrak Hayden, da der Mann eine kleine Holzschatulle auf den Tisch stellte. Die Kiste, in der Hayden seine Briefe aufbewahrte.
    »Mir scheint, Capitaine Hayden, dass es hier Briefe gibt, die an Sie adressiert sind und die mit ›Mein lieber Sohn‹ beginnen. Diese Briefe sind alle auf Französisch.«
    »Ja, das war seinerzeit ein Skandal«, improvisierte Hayden rasch. »Nach dem Tod meiner Mutter heiratete mein Vater meine Amme. Sie war sehr viel jünger als er, und ihre Familie lebte in schwierigen Verhältnissen. Mein Vater fand den Tod auf See. Daraufhin schiffte sich meine Stiefmutter nach Boston ein, wo sie erneut heiratete – einen Reeder. Einen Amerikaner.«
    Lacrosse blickte auf die geöffnete Schatulle, in der all die Briefe sorgsam gefaltet und sortiert lagen. »Diese Briefe, Capitaine Hayden, könnten Sie in Gefahr bringen. In sehr große Gefahr.«

K APITEL NEUN
    Der Verschlag unter Deck, in den man Hayden an achtern brachte, lag nach Haydens Vermutung unmittelbar hinter der Kammer, in der das Segeltuch aufbewahrt wurde. Vor ein Schott hatte man einige niedrige Tische und grob gezimmerte Bänke geschoben. Wie viele Leute dort noch eingesperrt werden sollten, vermochte Hayden nicht zu sagen. Es kümmerte ihn ohnehin nicht. Bei günstigem Wind lag der Hafen von Brest nur einige Stunden entfernt.
    Da er zu aufgewühlt war, um sitzen zu bleiben, stand er auf, merkte aber schnell, dass die Decksbalken zu niedrig waren. Daher nahm er wieder auf der harten Bank Platz. Aber er konnte einfach nicht ruhig sitzen, war ihm doch bewusst, dass man ihn seiner Herkunft wegen verhören würde, sobald sie französischen Boden erreichten. In den Briefen von seiner Mutter – Briefe, an die er in jüngster Zeit keinen Gedanken mehr verschwendet hatte – würde man beharrlich nach belastenden Beweisen suchen.
    Aus Sicht eines Engländers war die Vorstellung mehr als absurd, dass ein französischer Offizier als

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