Zu feindlichen Ufern - [3]
Erde weit unter sich. Denn inzwischen war auch die See achteraus im Nebel verschwunden.
»Ich habe noch nie so dichten Nebel gesehen, Sir«, flüsterte Barthe.
»Ich auch nicht, Mr Barthe.«
Eine Weile glitten sie durch die Schleier und konnten nicht einmal genau sagen, ob sie Fahrt machten, in einer Flaute steckten oder nach achtern gedrückt wurden. Plötzlich, in all der Stille, vernahm Hayden eilige Schritte auf den Planken, bis einer der Matrosen aus dem Nebel schoss, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.
»Schiff Steuerbord voraus, Kapitän!«, meldete der Mann und bemühte sich, leise zu sprechen.
»Steuerbord das Ruder«, befahl Hayden dem Mann am Steuerrad, legte dann die Hände wie ein Trichter an den Mund und rief auf Französisch hinauf ins Rigg: »Schiff Steuerbord voraus!«
Wickham nahm den Ruf auf und wiederholte ihn so laut er konnte. Derweil packte Hayden den Schwengel der Glocke und läutete wie verrückt. Unverwandt spähte er hinaus in den Nebel und dachte einen Moment, Hobson habe sich womöglich geirrt und dort sei gar kein Schiff. Vielleicht war es auch nicht so nah, wie der Midshipman befürchtet hatte.
Doch dann – als hätte es eines Beweises bedurft – brach keine zehn Yards Steuerbord voraus ein Klüverbaum durch den Nebel: Der Bug eines Schiffes nahm Konturen an. Das Schiff bewegte sich so langsam, dass es Hayden wie eine halbe Ewigkeit vorkam, bis der Rest des Schiffes zu erkennen war – ein Zweidecker, keine dreißig Fuß entfernt, mit zwei Reihen Stückpforten, die offen waren. Schließlich verlor das Schiff an Fahrt, und die Crew und die Offiziere schauten von dem höheren Deck auf die britische Fregatte hinab.
»Gelobt sei der Herr!« , rief Hayden auf Französisch. »Wir sind nicht zusammengestoßen – auch wenn wir kaum Fahrt haben.«
Der französische Kapitän trat an die Reling und schaute herab auf Hayden. »Capitaine« , begann er, »wir wissen, dass Sie ein britisches Schiff befehligen. Versuchen Sie nicht, uns etwas vorzumachen. Streichen Sie die Segel, oder ich gebe den Befehl zum Feuern. Aus dieser kurzen Distanz werden nicht einmal Ihre Geschütze Sie noch retten können, Capitaine.«
Hayden blickte genau in den Lauf einer französischen Kanone. Er spürte, wie die Männer seiner Crew den Atem anhielten. Schon war er im Begriff, seine Unschuld zu beteuern und darauf zu beharren, Franzose zu sein, doch je länger er dem französischen Kapitän in die Augen sah, desto klarer wurde ihm, dass der Mann sich nicht täuschen lassen würde.
»Ich bedaure, Capitaine« , antwortete Hayden auf Französisch, »aber ich kann mich bei meiner Ehre nicht ergeben, ohne einen Schuss abgefeuert zu haben.«
Der französische Kapitän – ein Mann mittleren Alters – nickte. »Feuern Sie Ihre Geschütze an Backbord ab und streichen Sie Ihre – unsere Flagge, Capitaine. Und dann bereiten Sie sich gütigst darauf vor, mir Ihr Schiff zu übergeben. Ich schicke Ihnen meinen Leutnant an Bord.«
Hayden schaute sich nach Archer um, der beim Niedergang stand und ganz entsetzt dreinblickte. »Mr Archer, geben Sie den Befehl, die Backbordbatterie abzufeuern.«
Archer nickte wie benommen, tippte sich an den Hut und verschwand unter Deck. Kurz darauf donnerten die Geschütze an Backbord zugleich. Die Explosion ließ das Schiff vibrieren. Der Rauch quoll auf und waberte über das Deck. Die Stille, die auf die Salve folgte, war so lang und tief, als hätte die ganze Welt ihre Stimme verloren.
»Streicht die französische Flagge!«, rief Hayden in diese furchtbare Stille hinein.
Matrosen beeilten sich, der Aufforderung nachzukommen.
Im selben Moment hörte Hayden, wie ein Fenster in der Heckgalerie geöffnet wurde – gefolgt von einem klatschenden Geräusch. Das britische Signalbuch sank mit seinem bleiverstärkten Einband auf den Grund des Meeres. Perse, sein Kajütsdiener, hatte seine Pflicht erfüllt, tadellos wie eh und je.
Hayden spürte, dass sich seiner eine seltsame Taubheit bemächtigte, ganz so, als wären seine Lungen und sein Herz beim Einatmen des kalten Nebels gefroren. Sein Geist blieb klar, kein störender Gedanke schlich sich hinein.
Er hatte sein Schiff verloren. Er hatte sein Schiff verloren!
Schließlich ließ er seinen Blick über die Länge des Decks schweifen und sah all die Männer, die an den Geschützen standen oder auf Befehle warteten, die Segel zu setzen. Die Männer starrten ihn stumm an, die Gesichter blass, die Mienen kaum zu deuten. Hayden
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