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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
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abnehmen.«
    Vor einer Stunde hatte sie eine eng anliegende Samthose anprobiert, die als Outfit für die blöde Neujahrsparty infrage kam, zu der sie eingeladen waren. Die Hose stammte aus einer sündhaft teuren Boutique in Kendal, ein Impulskauf, dem das schuldbewusste Vergnügen von Genusssucht anhaftete. Jetzt, nach sechs Monaten, war die Boutique pleite und die Hose zu eng, um sich darin wohlzufühlen. Während sie mit dem Reißverschluss kämpfte, hatte Hannah albtraumhafte Visionen von einer Hose, die genau in dem Augenblick platzte, als sie sich nach einem Drink bückte. Das kommende Jahr versprach mehr Schuldbewusstsein und weniger Vergnügen.
    »Ich finde, du siehst sehr verführerisch aus.« Er verzog das Gesicht zu einem anzüglichen Grinsen und griff nach ihr. »Komm her! Die Sternenguckerin hat recht - ich finde, es ist an der Zeit, dass ich meinen verdienten Lohn bekomme.«
    Sie wich ihm aus. Jetzt würde er jeden Augenblick fragen, ob sie die Wäsche trug, die er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Das Set entsprach allen Männerträumen, war verführerisch, schwarz, sehr minimalistisch und eigentlich nur für Frauen geeignet, deren BMI sich an der Grenze der Magersucht bewegte. Das Etikett wies es als Produkt aus Macau aus, und alle Teile fühlten sich auf Hannahs Haut steif und kratzig an. Sie bemühte sich, nicht zu schaudern, als er sie bat, ihm das Wäscheset vorzuführen, schwor sich aber insgeheim, es nie wieder zu tragen - es sei denn, sie schuldete ihm einen Riesengefallen.
    »Heute Abend, vorausgesetzt, wir können uns von Stuart Waggs Party davonstehlen, ehe du betrunken und zu nichts mehr in der Lage bist. Ist das ein Deal?«
    »Einverstanden.«
    Bevor Hannah Marc kennenlernte, war sie davon ausgegangen, dass auf Bücher spezialisierte Antiquare langes graues Haar hatten und nach Schimmel rochen. Marc jedoch war schlank, blond und sah trotz seiner unter der Oberfläche verborgenen Unzufriedenheit fantastisch aus.
    Er hatte Hannah gebeten, den Chauffeur zu spielen, damit er etwas trinken konnte. Der Gastgeber, ein reicher, für seinen ausschweifenden Lebenswandel berüchtigter Anwalt, würde vermutlich weder mit Champagner noch mit Glühwein knausern. Jede Wette, dass Marc dem Angebot nicht nur unmäßig zusprechen sondern auch auf dem gesamten Heimweg schnarchen würde - sie würde ihn zu Hause gleich ins Bett packen müssen!
    »Bis Mitternacht müssen wir aber mindestens bleiben«, protestierte Marc. »Immerhin bin ich schon den Kompromiss eingegangen, Stuart anzukündigen, dass wir nicht vor halb zehn bei ihm sein können. Er hat ein Vermögen für das Feuerwerk ausgegeben, und es wäre ziemlich unhöflich, nicht zuzuschauen, wie sein Geld in Rauch aufgeht.«
    »Du hättest ihn überreden sollen, stattdessen eine Erstausgabe bei dir zu kaufen. Unsere Handwerkerrechnungen sind so hoch, dass wir jeden Penny brauchen können.«
    Die Frühstücksküche von Undercrag bot Ausblick auf die mit Heidekraut bewachsenen unteren Berghänge. Die Aussicht wäre einer Postkarte würdig gewesen - ein Stück Grasland, auf dem umherwanderndes Rehwild graste, und ausladende Eichen, die dem Grundstück im Sommer Schatten spenden würden. Die Fensterrahmen jedoch waren morsch. Gleich nach dem Einzug hatten sie das Dach erneuern müssen, nachdem sie in den ersten Wochen zwischen strategisch aufgestellten Eimern herumgekurvt waren. Wie eigentlich das gesamte restliche Haus schrie die Küche geradezu nach einer gründlichen Renovierung. Die Wandfliesen waren in einem widerlichen Orangeton gehalten, die Küchenmöbel in einem eintönigen Beige. Die Wasserrohre ratterten und schepperten, der Boden war uneben, und der Geschirrspüler hatte ein Leck. Zumindest aber war es dank eines AGA-Herdes warm. Sobald sie sich jedoch in einen anderen Raum wagten, war es, als würde man einen Iglu betreten. Wahrscheinlich würden sie ihren Überziehungskredit über das Limit hinaus strapazieren müssen, ehe aus diesem Haus wirklich ein Heim wurde.
    »Stuart ist einer meiner wichtigsten Kunden. Vor allem seit dem Tod von George Saffell.«
    Richtig, George Saffell. Hannah hatte ihn vor zwei Jahren flüchtig kennengelernt - ein hochgewachsener Mann in den Fünfzigern, der sie mit der altmodischen Höflichkeit vergangener Epochen behandelte. Unter seinem oberflächlichen Charme jedoch zeichnete sich ein selbstsüchtiger Zug ab. Er hatte sein Geld als Immobilienmakler verdient, Zweitwohnsitze und Teilzeiteigentum an den Mann gebracht

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