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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
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eingeschaltet. Sofort sprang er auf und küsste sie auf die Wange. Die Fähigkeit, sie zu verblüffen, hatte er nie verloren.
    »Ich habe eine Flasche Chablis geöffnet.« Auf dem Couchtisch standen zwei randvolle Gläser. »Komm, mach es dir gemütlich. Ich habe den Wein gerade erst aus dem Kühlfach geholt und eingeschenkt, als ich den Kies unter den Autoreifen knirschen hörte.«
    Eigentlich hätte sie ihm zig Fragen zu Bethany Friend stellen müssen, aber nach dem ersten Schluck Wein beschloss sie, dass es jetzt auf einen Tag mehr auch nicht mehr ankam. Alles war nur eine Frage des richtigen Timings.
    »Wenn du magst, können wir gleich zu Bett gehen, wenn du dein Glas leer hast.«
    Er lächelte. Immer noch ein gut aussehender Mann. Begehrenswert.
    »Gib mir zehn Minuten.«
    Diese Zeit brauchte sie. Nicht, um den Wein hinunterzukippen, sondern um ihren Kopf freizubekommen von Daniel Kind und wie er ihr am Tisch gegenübergesessen hatte. Frei von dem plötzlichen Drang - den sie selbstverständlich unterdrückt hatte; wie kam sie bloß zu derart jugendlichen Anwandlungen? -, jede einzelne Falte auf seiner Stirn wegzuküssen.

Kapitel Zwölf
    Über Nacht sank die Temperatur unter null Grad. Als Hannah morgens die Haustür öffnete, lag der Garten von Undercrag nicht wie sonst in Nebel gehüllt, sondern es glitzerte Raureif auf allen Gräsern und Zweigen. Weiter oben auf den Hängen lag sogar ein wenig Schnee. Unter diesen Umständen war es kein besonders schlauer Einfall gewesen, den Lexus vor der Tür zu parken. Es dauerte fast fünf Minuten, ehe sie den widerspenstigen Eisfilm von den Scheiben gekratzt hatte und nach Kendal fahren konnte.
    Die Uhr zeigte erst zwanzig vor sieben, und abgesehen von ein paar landwirtschaftlichen Fahrzeugen waren die Straßen um Ambleside leer. Traktoren hatten Schlammspuren auf der Fahrbahn hinterlassen, die über Nacht steinhart gefroren waren. Ein weißer Hauch lag über den Trockensteinmauern. Als Hannah Waterhead passierte, entdeckte sie eine dünne Eisschicht auf der Oberfläche des Windermere. Schon seit ihrer Kindheit liebte sie klare, kalte Wintermorgen, doch das allein war nicht der Grund für ihre gute Laune. Das Wiedersehen mit Daniel hatte ihr einen Kick gegeben. Bis gestern hatte sie sich geweigert, sich selbst gegenüber zuzugeben, wie sehr sie ihn vermisste. Fröhlich summte sie die Melodie eines alten Cliff-Richard-Titels mit, der gerade im Radio lief: Devil Woman.
    Daniel machte sich eindeutig zu viele Sorgen. War es möglich, dass sich eine allzu emanzipierte Juradozentin mir nichts, dir nichts in eine besessene Scherenmörderin verwandelte? Unwahrscheinlich. Trotzdem gefiel es Hannah, dass Daniel seine Schwester so gern hatte, dass er sich auf diese seltsame Expedition nach Crag Hill eingelassen hatte. Gut, dass Stuart Wagg sein Grundstück nicht von einem Rottweiler bewachen ließ! Sie glaubte nicht ernsthaft, dass Wagg etwas passiert war; trotzdem hatte sie Daniel versprochen, die Angelegenheit überprüfen zu lassen. Es wäre unklug, sich nicht um eine Vermisstenmeldung zu kümmern, selbst wenn einem eigentlich egal war, ob der Verschollene je wieder auftauchte. Außerdem bot sich hier eine fantastische Gelegenheit, Daniel wieder anzurufen und ihm zu sagen, dass Wagg kerngesund und quicklebendig zu Hause saß. Danach allerdings wusste sie noch nicht, wie es weitergehen sollte.
    Um diese Uhrzeit herrschte auf dem Parkplatz vor dem Präsidium noch gähnende Leere. Hannah stellte den Wagen ab und machte sich zu Fuß auf den Weg zu ihrem Treffen mit Fern Larter. Noch waren die Jalousien der Geschäfte in der Stricklandgate verschlossen, aber auch später würden viele Shops leer bleiben. Die Einzelhändler sahen einem harten Winter entgegen, und niemand wusste, wann die wirtschaftliche Flaute sich wieder beleben würde.
    Die kalte Luft biss ihr in die Wangen und färbte ihre Hände blau. Trotzdem fühlte sie sich wunderbar, als sie die steile Steigung von Beast Banks hinaufeilte. Sie liebte dieses Stadtviertel, in dem sich alte und neue Geschichte vereinten. Ein Stück weiter bergauf führten Wege zu den Erdwällen von Castle Howe. Auf diesem Hügel erbauten die Normannen Kendals erste Burg mit Wällen und Vorhof, die später von schottischen Plünderern bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde. Auf der Spitze erhob sich ein Obelisk. Hannah erinnerte sich, dass er zu Ehren der Glorreichen Revolution erbaut wurde und die Inschrift Sacred to Liberty (Der Freiheit

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