Zu Staub Und Asche
ein Lkw-Reifen, und darauf häuften sich bis zum Rand Eier, gebratener Speck, Würstchen, Bohnen, gebratenes Brot und heiße Blutwurst. Die erklärte Leidenschaft des Ladens, die Arterien ihrer Kundschaft zu verstopfen, hatte etwas geradezu unwiderstehlich Schamloses. Sie machten ein gutes Geschäft, zumindest in der kurzen Zeitspanne, bis die Kunden mit Blaulicht auf die Intensivstation gekarrt wurden. Allein der Geruch des heißen Fettes schien bereits den Cholesterinspiegel in ungeahnte Höhen schnellen zu lassen.
»Wer sagt denn, dass du überhaupt alt genug wirst, um deine Pension in Anspruch zu nehmen? Ist dir klar, dass dir mit dem, was du da auf dem Teller hast, deine Lebensversicherung gekündigt werden könnte?«
Fern wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab, auf die das Logo der Beast Banks Breakfast Bar aufgedruckt war - ein Stier mit einem lüsternen Grinsen, der vermutlich eine ironische Anspielung auf die Stierhatz in früheren Zeiten sein sollte.
»Du kennst doch mein Motto: Das Leben soll fröhlich sein, ganz gleich, wie kurz es ist.«
»Wie der arme, verblichene George?«
»Na, so fröhlich scheint der nicht gewesen zu sein. Bei ihm denke ich eher an einen öden Langweiler. Also ehrlich - ein Immobilienmakler, der alles in den Wind schießt, um stinkende alte Bücher zu sammeln! Das kann es doch nicht sein, oder?« Eine kurze Pause und ein für Fern ganz uncharakteristisches Erröten zeigten, dass sie für einen Moment schlicht vergessen hatte, womit Marc seinen Lebensunterhalt verdiente. »Nicht, dass ich etwas gegen alte Bücher hätte - natürlich nicht. Aber manchmal tut man auch des Guten zu viel, und George besaß eine geradezu ungeheure Menge Bücher. Ich stehe da eher auf Herz-Schmerz-Romane und nette Klatschblätter.«
»Und dann hast du Wanda mit seinem Tod in Verbindung gebracht?«
»Genau.« Fern schaufelte zwei Löffel Zucker in ihren Kaffee und rührte so energisch, dass die Hälfte auf dem Resopaltisch landete. »Ich könnte schwören, dass George sich nicht selbst gefesselt und das Bootshaus abgefackelt hat, aber ...«
»Damit hast du also abartige Selbsttötungsgelüste komplett ausgeschlossen?«
»Wer würde schon seinem Leben auf diese Weise ein Ende setzen wollen? Stell dir mal vor, wie es sein muss, bei lebendigem Leib zu verbrennen! Das ist schlimmer als ein ganzer Tag zwangsweises Anhören von Laurens Predigten.«
»Vielleicht eine seltsame Art von Sühne?«
Fern stützte die Ellbogen auf den Tisch, ohne sich darum zu kümmern, dass er mit Kaffee bekleckert war, und warf Hannah einen mitleidigen Blick zu. »Immobilienmakler tun keine Sühne.«
»Was sagen denn die Gerichtsmediziner? Bestätigen sie, dass Selbstmord ausgeschlossen ist?«
»Du weißt doch, dass Gerichtsmediziner nicht einmal bestätigen würden, dass die Nacht auf den Tag folgt, solange du ihnen nicht versprichst, keine gerichtlichen Schritte einzuleiten, falls sich herausstellt, dass sie die Beweiskette verbaselt haben.« Fern starrte in ihren Kaffee. Er hatte die Konsistenz von Schlick, wie er bei Ebbe in einem Hafenbecken zu sehen ist. Hannah hatte Orangensaft und zwei Scheiben Toast bestellt; ihr Zugeständnis an das Leben im Hier und Jetzt bestand darin, einen Klacks Butter auf die knusprige Brotoberfläche zu streichen. »Alles ist mit irgendwelchen Haftungsausschlüssen abgesichert. Aber in unserer offiziellen Arbeitshypothese gehen wir von einem Mord der feigsten Sorte aus. Und wenn du mich fragst, ist das nicht nur eine Hypothese, sondern absolute Sicherheit.«
»Und das Motiv?«
»Geld. Was sonst? Anderenfalls hätte es ja genügt, sich einfach scheiden zu lassen.«
»Er hat sich zu einer günstigen Zeit aus dem Immobiliengeschäft zurückgezogen.«
»Richtig. Alles lief gut, bis das Glück ihn verließ.« Eine Gabel voller Bohnen verschwand in Ferns Mund. »Der Konzern, der seine Firma übernommen hat, schloss die Hälfte der Büros, entließ zwei Drittel der Angestellten und sprach von ›Sparmaßnahmen‹. In Wirklichkeit hat man das Unternehmen zerschlagen.«
»Hatte vielleicht ein ehemaliger Angestellter der Firma Hassgefühle gegenüber George?«
»Im Gegenteil. Die Leute, die er zurückließ, hielten ihn für einen höchst anständigen alten Knaben. Erst recht, nachdem sie wussten, was die neue Firmenleitung vorhatte - diese Risikokapitalisten, die kein anderes Anliegen haben, als den Personalbestand herunterzuschrauben.«
»Dann hat George also Millionen
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