Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
anderen im Urlaub sind, und ich ganz allein bin, weil mein Mann in Minneapolis ist. Sie freute sich und war dankbar. Sie sagte, sie langweile sich sehr, und die Cafeteria sei geschlossen, also müsse sie rüber ins Naturwissenschaftsgebäude für einen Kaffee, und die täten Salzsäure hinein. Ha-ha. Also haben wir unser kleines Kaffeekränzchen abgehalten.«
»Ich hasse Rhabarber«, sagte er. »Bei mir hätte das nicht funktioniert.«
»Bei ihr ja. Ich musste darauf hoffen, dass es schnell wirkte, bevor sie merkte, dass etwas nicht stimmte, und sich den Magen auspumpen ließ. Aber nicht so schnell, dass sie es mit mir in Verbindung bringen würde. Ich musste verschwinden, und das tat ich auch. Das Gebäude war menschenleer, und soweit ich weiß, hat mich niemand kommen oder gehen sehen. Natürlich kannte ich die Hinterausgänge.«
»Sie halten sich für schlau. Sie sind ungestraft davongekommen.«
»Sie aber auch.«
»Was ich getan habe, war nicht so hinterhältig wie das, was Sie getan haben.«
»Sie mussten das so tun.«
»Da können Sie drauf wetten.«
»Und ich musste es auf meine Weise tun. Ich habe meine Ehe gerettet. Er hat schließlich eingesehen, dass sie nicht gut für ihn gewesen wäre. Sie wäre nahezu mit Sicherheit krank und leidend geworden. Sie war genau der Typ. Sie wäre ihm nur zur Last gefallen. Das hat er eingesehen.«
»Besser, Sie haben nichts in die Eier getan«, sagte er. »Falls ja, wird’s Ihnen leidtun.«
»Natürlich nicht. Warum sollte ich auch. Das ist nichts, was man alle naselang tut. Außerdem weiß ich gar nichts über Gifte, ich bin nur durch Zufall an diese eine Information gelangt.«
Er stand so plötzlich auf, dass er den Stuhl umstieß, auf dem er gesessen hatte. Sie sah, in der Flasche war nicht mehr viel übrig.
»Ich brauche die Autoschlüssel.«
Sie konnte einen Augenblick lang nicht denken.
»Die Autoschlüssel. Wo haben Sie sie hingelegt?«
Es konnte passieren. Sobald sie ihm die Schlüssel gab, konnte es passieren. Würde es ihr helfen, ihm zu sagen, dass sie an Krebs starb? Ach was. Das würde ihr überhaupt nicht helfen. Krebstod in der Zukunft würde sie nicht daran hindern, heute den Mund aufzumachen.
»Niemand weiß das, was ich Ihnen erzählt habe«, sagte sie. »Sie sind der einzige Mensch, dem ich es erzählt habe.«
Als ob das etwas nutzen würde. Der ganze Vorteil, den sie ihm zugeschanzt hatte, war höchstwahrscheinlich völlig an ihm vorbeigegangen.
»Niemand weiß das bis jetzt«, sagte er, und sie dachte: Gott sei Dank. Er ist auf der richtigen Spur. Es wird ihm klar. Ist es ihm klar?
Vielleicht, hoffentlich.
»Die Schlüssel sind in der blauen Teekanne.«
»Wo? Welche verdammte blaue Teekanne?«
»Am Ende der Anrichte – der Deckel ist kaputtgegangen, also haben wir sie dafür benutzt, irgendwelche Dinge reinzutun …«
»Mund halten. Mund halten, oder ich sorge dafür, dass Sie ihn für immer halten.« Er versuchte, seine Faust in die blaue Teekanne zu stecken, aber sie passte nicht hinein. »Verdammte Scheiße«, schrie er, drehte die Teekanne um und hieb sie auf die Platte, so dass nicht nur die Autoschlüssel, Hausschlüssel, mehrere Münzen und eine Rolle alter Geldscheine zu Boden fielen, sondern auch Scherben aus blauem Steingut.
»Die mit dem roten Band«, sagte sie leise.
Er stieß alles kurz mit dem Fuß umher, bevor er die richtigen Schlüssel aufhob.
»Was werden Sie also über das Auto sagen?«, fragte er. »Sie haben es an einen Fremden verkauft. Richtig?«
Die Bedeutung dieser Worte erschloss sich ihr nicht gleich. Als sie es tat, wackelte das Zimmer. »Danke«, sagte sie, aber ihr Mund war so trocken, dass sie nicht wusste, ob ein Laut herausdrang. Er musste sie jedoch gehört haben, denn er sagte: »Danken Sie mir noch nicht.«
»Ich habe ein gutes Gedächtnis«, sagte er. »Richtig gutes Gedächtnis. Sie beschreiben den Fremden ganz anders als mich. Sie wollen doch nicht, dass man auf dem Friedhof eine Leiche ausgräbt. Denken Sie dran, wenn Sie was sagen, dann sage ich was.«
Sie hielt den Blick gesenkt. Rührte sich nicht, sagte nichts, sah nur auf das Zeug hinunter, das am Boden lag.
Fort. Die Tür ging zu. Sie rührte sich noch immer nicht. Sie wollte die Tür abschließen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Sie hörte, wie der Motor angelassen wurde, aber nicht ansprang. Was jetzt? Der Mann war so nervös, dass er alles falsch machen würde. Wieder der Anlasser, wieder und wieder, dann das
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