Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
Geräusch des Motors, das Geräusch der Reifen auf dem Kies. Zitternd ging sie zum Telefon und stellte fest, dass er die Wahrheit gesagt hatte; es war tot.
Neben dem Telefon stand eines der zahlreichen Bücherregale. Dieses hier enthielt hauptsächlich alte Bücher, Bücher, die seit Jahren nicht mehr aufgeschlagen worden waren.
Der stolze Turm
. Albert Speer. Richs Bücher.
Ein Fest für die Sinne mit altvertrauten Obst- und Gemüsesorten. Herzhafte und elegante Gerichte und frische Überraschungen
, zusammengestellt, erprobt und kreiert von Bett Underhill.
Sobald die Küche fertig war, hatte Nita den Fehler begangen, sich eine Weile lang darin zu versuchen, so zu kochen wie Bett. Nur eine kleine Weile lang, denn wie sich bald herausstellte, wollte Rich nicht an all den Wirbel erinnert werden, und sie selbst brachte nicht genug Geduld auf für derart viel Schnippeln und Schmoren. Aber sie hatte ein paar Dinge gelernt, die sie überraschten. Wie die giftigen Teile bestimmter vertrauter und im Allgemeinen gut verträglicher Pflanzen.
Sie müsste Bett schreiben.
Liebe Bett, Rich ist tot, und ich habe mein Leben gerettet, indem ich mich für dich ausgegeben habe.
Was kümmert es Bett, dass ihr Leben gerettet worden ist? Es gibt nur einen Menschen, dem sie das wirklich erzählen möchte.
Rich. Nur Rich. Jetzt weiß sie wirklich, was es heißt, ihn zu vermissen. Wie die Luft, die man vom Himmel atmet.
Sie müsste ins Dorf hinunterlaufen. Da ist hinter dem Rathaus ein Polizeirevier.
Sie müsste sich ein Handy besorgen.
Sie war so mitgenommen, so erschöpft, dass sie kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Erst einmal musste sie sich ausruhen.
Sie wurde davon wach, dass jemand an die immer noch unverschlossene Haustür klopfte. Es war ein Polizist, keiner aus dem Dorf, sondern einer von der Landesverkehrspolizei. Er fragte sie, ob sie wisse, wo ihr Auto sei.
Sie schaute hinaus zu dem Kiesweg, auf dem es gestanden hatte.
»Es ist fort«, sagte sie. »Da hat es gestanden.«
»Sie haben nicht gewusst, dass es gestohlen wurde? Wann haben Sie zuletzt hinausgeschaut und es gesehen?«
»Das muss gestern Abend gewesen sein.«
»Die Schlüssel steckten?«
»Ich glaube schon.«
»Ich muss Ihnen mitteilen, dass es einen schlimmen Unfall gegeben hat. Diesseits von Wallenstein, nur ein Fahrzeug war beteiligt. Der Fahrer ist von der Straße abgekommen und hat sich dann überschlagen. Und das ist noch nicht alles. Er wird wegen dreifachen Mordes gesucht. Jedenfalls, soweit wir wissen. Mordfall in Mitchellston. Ihr Glück, dass Sie ihm nicht begegnet sind.«
»Wurde er verletzt?«
»War sofort tot. Geschieht ihm recht.«
Es folgte eine freundliche, strenge Unterweisung. In Sachen Autoschlüssel, die stecken gelassen werden. In Sachen Frauen, die allein leben. Heutzutage kann man nie wissen.
Man kann nie wissen.
Gesicht
Ich bin davon überzeugt, dass mein Vater mich nur ein einziges Mal ansah, betrachtete, besichtigte. Danach nahm er als gegeben hin, was da war.
Zu jener Zeit wurden Väter nicht in den hell erleuchteten Kreißsaal gelassen, in dem die Babys zur Welt kamen, auch nicht in den Raum, wo die Frauen in den Wehen lagen und ihre Schreie unterdrückten oder laut litten. Väter bekamen die Mütter erst zu Gesicht, nachdem sie gewaschen, bei Bewusstsein und zugedeckt mit pastellfarbenen Decken im Bettensaal, in Zweibett- oder Einbettzimmern lagen. Meine Mutter hatte ein Einbettzimmer, wie es ihrer Stellung in der Stadt zukam, und nach Lage der Dinge war das auch gut so.
Ich weiß nicht, ob mein Vater vor oder nach seinem ersten Blick auf meine Mutter draußen vor dem Fenster der Säuglingsstation stand, um einen ersten Blick auf mich zu werfen. Ich denke eher, es war danach, und als sie ihn dann an ihrem Zimmer vorbeigehen hörte, da hörte sie den Unmut in seinen Schritten, wusste jedoch noch nicht, was ihn ausgelöst hatte. Schließlich hatte sie ihm einen Sohn geboren, was doch eigentlich das ist, was alle Männer wollen.
Ich weiß, was er sagte. Oder ihrer Behauptung nach sagte.
»Was für ein Klumpen gehackte Leber.«
Danach: »Denk ja nicht, du wirst mir das ins Haus bringen.«
Eine Seite meines Gesichts war – ist – normal. Und mein ganzer Körper war von den Zehen bis zu den Schultern normal. Ich maß 53 Zentimeter und wog 3770 Gramm. Ein strammer männlicher Säugling, hellhäutig, obwohl wahrscheinlich immer noch rot von meiner kürzlichen, nicht weiter bemerkenswerten
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