Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)
Stehen. Sie sagte: »Achten Sie auf die Messer, wenn Sie sich hinsetzen.«
»Versuchen Sie ja nicht, mich auf den Arm zu nehmen.«
Er sammelte die Messer auf, legte sie wieder in die Schublade und setzte sich hin.
»Glauben Sie, ich bin blöd? Glauben Sie, ich bin nervös?«
Sie riskierte etwas. Sie sagte: »Ich glaube nur, Sie haben so etwas noch nie zuvor getan.«
»Natürlich nicht. Glauben Sie, ich bin ein Mörder? Klar, ich habe sie umgebracht, aber ich bin kein Mörder.«
»Da besteht ein Unterschied«, sagte sie.
»Da können Sie drauf wetten.«
»Ich weiß, wie das ist. Ich weiß, wie es ist, jemanden zu beseitigen, der einen verletzt hat.«
»Ach, ja?«
»Ich habe dasselbe wie Sie getan.«
»Sie doch nicht.« Er schob seinen Stuhl zurück, aber er stand nicht auf.
»Sie brauchen es nicht zu glauben, wenn Sie nicht wollen«, sagte sie. »Aber ich hab’s getan.«
»Ach, was. Wie haben Sie’s denn gemacht?«
»Mit Gift.«
»Wovon reden Sie? Haben Sie denen was von diesem verdammten Tee zu trinken gegeben?«
»Nicht denen, es war eine Sie. Mit dem Tee ist alles in Ordnung. Er verlängert angeblich das Leben.«
»Ich will mein Leben nicht verlängern, wenn ich dafür solchen Mist trinken muss. Außerdem kann Gift in einer Leiche festgestellt werden.«
»Ich bin nicht sicher, ob das auch für Gemüsegifte gilt. Jedenfalls würde niemand auf die Idee kommen, danach zu suchen. Sie war eins von den Mädchen, die als Kind rheumatisches Fieber hatten und dann darauf herumreiten, die keinen Sport treiben oder groß was machen können, die sich immer hinsetzen und ausruhen müssen. Ihr Tod würde niemanden überraschen.«
»Was hat sie Ihnen denn angetan?«
»Sie war das Mädchen, in das mein Mann sich verliebt hat. Er wollte mich verlassen und sie heiraten. Das hat er mir gesagt. Ich hatte alles für ihn getan. Ich habe mit ihm zusammen dieses Haus umgebaut, er war alles, was ich hatte. Wir hatten keine Kinder, denn er wollte keine. Ich habe tischlern gelernt und bin auf Leitern gestiegen, obwohl ich Angst davor hatte. Er war mein ganzes Leben. Dann wollte er mich rauswerfen wegen dieser nutzlosen Heulsuse, die in der Universitätsverwaltung arbeitete. Das ganze Leben, für das wir gearbeitet hatten, sollte an sie gehen. War das fair?«
»Wie besorgt man sich Gift?«
»Ich brauchte es mir nicht zu besorgen. Es wuchs gleich hier im Garten hinter dem Haus. Da war seit Jahren ein Rhabarberbeet. Die Adern der Rhabarberblätter enthalten ein völlig ausreichendes Gift. Nicht die Stängel. Die Stängel sind das, was wir essen. Die sind gut. Aber die dünnen kleinen roten Adern in den großen Rhabarberblättern, die sind giftig. Das wusste ich, aber ich muss gestehen, ich wusste nicht genau, was für die Anwendung erforderlich war, mein Vorgehen hatte also mehr den Charakter eines Experiments. Mehrere Umstände waren günstig für mich. Zum einen war mein Mann fort zu einer Tagung in Minneapolis. Er hätte sie natürlich mitnehmen können, aber es waren Sommerferien, und sie hatte im Büro Stallwache. Zum anderen hätte es sein können, dass sie nicht völlig allein war, dass noch jemand anders da war. Und darüber hinaus konnte sie mir gegenüber misstrauisch sein. Ich musste eben davon ausgehen, dass sie nicht wusste, dass ich es wusste, und mich immer noch für eine Freundin hielt. Sie war in meinem Haus zu Gast gewesen, wir standen auf gutem Fuß. Ich musste mich auf die Eigenart meines Mannes verlassen, alles auf die lange Bank zu schieben, also es mir zu sagen, um zu sehen, wie ich es aufnahm, ihr aber noch nichts davon zu sagen, dass er es getan hatte. Sie werden fragen: Warum sie dann beseitigen? Kann doch sein, er war noch unentschieden?
Nein. Er hätte irgendwie an ihr festgehalten. Und selbst wenn nicht, unser Leben wäre von ihr vergiftet gewesen. Sie hat mein Leben vergiftet, also musste ich ihrs vergiften.
Ich habe zwei Törtchen gebacken. Eins mit den giftigen Adern drin und eins ohne. Natürlich habe ich das ohne markiert. Ich bin zur Universität gefahren, habe zwei Becher Kaffee geholt und bin in ihr Büro gegangen. Niemand sonst da, nur sie. Ich habe ihr gesagt, ich hatte gerade in der Stadt zu tun, und als ich am Universitätsgelände vorbeigefahren bin, da sah ich die nette kleine Bäckerei, von der mein Mann immer schwärmt wegen des Kaffees und der Backwaren, also bin ich reingegangen und habe zwei Törtchen und zwei Becher Kaffee gekauft. Wo sie doch ganz allein ist, weil alle
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