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Zu viele Flueche

Zu viele Flueche

Titel: Zu viele Flueche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Magie waren merkwürdige Bettgenossen, und nicht jede Stimme, die der Demontierte Dan hörte, war ein Produkt seines Irrsinns.
    Das Schloss redete nämlich unentwegt. Nur Dan besaß genug Wahrnehmungsfähigkeit und war ausreichend geistesgestört, um sein Dröhnen und Ächzen, sein Knarren und Stöhnen zu enträtseln. Selbst für ihn ergab das, was das Schloss sagte, nicht immer Sinn. Hauptsächlich, weil es ein sehr großes Ding mit einer sehr großen Seele und einem sehr komplizierten Geist war. Normalerweise schnappte Dan nur Teile davon auf, die auf dem Weg zu kompletten Gedanken durch die Küche polterten. Es war wie ein Ding in den Schatten, das man nicht sehen konnte - bis auf ein kleines bisschen Farbe hier und da, die sich ins Licht verirrte und ein Puzzle von der Größe eines Ozeans mit nur einer Handvoll Teile zusammenzufügen versuchte. Aber gelegentlich schaffte es das Schloss, seinen kolossalen, polternden Willen zu konzentrieren. Und wenn seine vielen Stimmen und sein Hunger als ein vereintes Verlangen losredeten, verstand Dan.
    Er heulte ein weiteres Mal auf. Als er noch gelebt hatte, hatte er oft geheult, bis sein Hals wund gewesen war und ihm die Tränen aus den Augen schossen. Nun hatte er keinen Hals und keine Augen mehr, also musste er sich vorsehen, sonst heulte er nämlich tagelang ohne Pause. Und selbst Dan hätte das ein klein wenig eigentümlich gefunden.
    Er richtete seine leeren Augenhöhlen auf das Skelett, das am Tisch saß. »Alter Mister Bones«, flüsterte er. »Mister Bones, Mister Bones, Mister Bones. Kannst du es hören? Kannst du hören, was der alte Dan hört? Natürlich hörst du es. Du bist ein Teil des alten Dan, das bist du. Das kannst du nicht leugnen, was?«
    Das Skelett gab sich die größte Mühe, den plappernden Schädel zu ignorieren.
    »Hör zu, Mister Bones. Hör gut hin.«
    Die Küche klapperte. Töpfe und Pfannen schlugen gegeneinander. Die Fessel um Mister Bones’ Knöchel vibrierte vor unheilvoller Energie. Er stand auf.
    »Ja, ja, ja«, gluckste Dan. »Der alte Margle, er war am Ende doch nicht so verrückt. Er hat den alten Dan aus gutem Grund hierhergeholt, siehst du? Du und ich, Mister Bones, wir haben eine Aufgabe zu erfüllen. Nicht die Aufgabe, die Margle vorgesehen hat - er ist nicht mehr unser Meister. Jedenfalls nicht, solange er nicht zurückkommt. Und wenn sich das Schloss durchsetzt, wird er niemals zurückkommen. Die Magie in diesen Wänden hat Besseres vor als langweilige Rache. Heute Nacht können du und ich, Mister Bones, die ganze Welt erdrosseln. Natürlich nicht nur wir. Wir sind eher ein Fingerknöchel an einer riesigen Hand, die sich um die Kehle der Welt legt. Aber es ist trotzdem eine Ehre, dabei sein zu dürfen.« Seine Stimme wurde rau und bedrohlich. »Dabei zu sein und das Todesröcheln der ganzen Schöpfung zu hören.«
    Das Skelett setzte sich wieder.
    »Oh, du hast deine eigenen Vorstellungen. Das macht die ach so gute Nessy. Sie hat dich verseucht, dich mit ihrer Nettigkeit und Freundlichkeit angesteckt. Macht aber nichts. Sie konnte doch nicht alles auslöschen. Es ist immer noch da drin. Ich fühle es. Wir fühlen es.«
    Das Schloss stöhnte zustimmend. Mister Bones’ Kette drehte und wand sich wie eine Schlange. Erneut stand er auf.
    »Das ist gut. Oh, der alte Dan wusste doch, dass du mich nicht enttäuschen würdest. Also komm, sonst verpassen wir noch den ganzen Spaß.«
    Mister Bones bewegte sich zwar langsam, aber unaufhaltsam auf den Schädel zu. Jeder Schritt war leichter als der vorherige. Seine Haltung änderte sich. Er wurde zu einer schleichenden, zupackenden Kreatur, einem gekrümmten, verschlagenen Monster. Ehrfürchtig hob er den Demontierten Dan von seinem Gewürzregal und senkte den Schädel auf seinen Hals.
    Er zögerte. Nur einen Augenblick lang.
    »Lass das, Mister Bones. Zu spät, um jetzt noch umzukehren.«
    Die Fußfessel peitschte zustimmend. Mister Bones schob den Schädel an die richtige Stelle.
    »Das ist besser. Oh, so viel besser.« Dan streckte sich. Er sah auf seine Finger aus weißen Knochen hinab, öffnete und schloss sie. Dann schlug er das Gewürzregal von der Wand. Es zerbrach und verschüttete bunte Körner über den Boden. »Oh, wie lange ich darauf gewartet habe!«
    Das Schloss ächzte ungeduldig. Die Fessel um Dans Knöchel sprang auf.
    »Keine Sorge. Der alte Dan ist schon unterwegs. Er weiß, was er zu tun hat.« Er warf den Kopf zurück und heulte noch einmal. Und diesmal hörte er

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