Zu viele Morde
bereut.
Sie stand an der recht hohen Küchentheke und legte letzte Hand an eine Schale Lasagne, während ihre Stieftochter enthusiastisch den Salat in Angriff nahm. Desdemonas Haar war etwas wirr, weil sie ständig mit der Hand hindurchfuhr. Sie war in der Küche immer noch eine Anfängerin, die sich ständig Sorgen machte, was ihre Kochkunst betraf, doch Lasagne war ein relativ sicheres Gebiet. Carmines Mutter und Schwestern hatte sich ihrer angenommen, also war das, was sie lernte, in erster Linie süditalienische Küche. Für Desdemona, englisch bis in die Fingerspitzen, war das schon fast außerirdisch, aber auch sie hatte ihre kleinen Triumphe. Eine Freundin, die aus Lincoln zu Besuch gekommen war, hatte ihr beigebracht, wie man einen traditionellen Schmorbraten und einen Lancashire Hotpot machte, was beides von ihrem Mann und seiner Familie mit großem Genuss verspeist wurde.
Als sie sich umdrehte, um Carmine zu begrüßen, sah man, dass sie ein eher unscheinbares Gesicht hatte, mit einer rechtgroßen Nase und einem markanten Kinn, doch wenn sie lächelte, erfasste ein Strahlen ihr Gesicht. Ihre Augen waren wunderschön, groß, ruhig und von einer Farbe wie dickes Eis. Die Mutterschaft hatte sie mit einem Busen beschenkt, der alles gewesen war, was ihr noch zu einer fabelhaften Figur gefehlt hatte. Da ihre wohlgeformten Beine überproportional lang waren, fanden Männer sie recht attraktiv. Sie ging zu Carmine und küsste ihn, während Sophia von einem Fuß auf den anderen hopste und wartete, bis sie an der Reihe war.
Mit ihren fast siebzehn Jahren sah seine Tochter unbestreitbar zauberhaft aus. Sie kam nach ihrer Mutter Sandra, die eine Hollywood-Karriere angestrebt hatte. Sophia war naturblond, hatte blaue Augen, feine Gesichtszüge, und ihre Figur war der Traum aller jungen Mädchen. Aber während ihre Mutter als Kokserin immer noch an der Westküste lebte, hatte Sophia mehr gesunden Menschenverstand, als ihr Vater oder ihr Stiefvater, der berühmte Filmproduzent Myron Mendel Mandelbaum, sich bei Sandras Tochter je erhofft hatten. Sie war aus L. A. hergezogen, als Carmine und Desdemona vor neun Monaten geheiratet hatten, und bewohnte den Traum eines jeden Teenagers: einen zwei Stockwerke hohen Turm mit Dachterrasse. Obwohl sie auch eine kleine Küche hatte, aß sie eigentlich immer gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter, mit der sie sich hervorragend verstand.
Desdemona in einem Arm, umarmte Carmine mit dem anderen seine Tochter, die ihm einen schmatzenden Kuss gab.
»Lasagne!«, sagte er erfreut. »Seid ihr sicher, dass es euch nichts ausmacht, so spät zu essen? Ganz ehrlich, ich bin auch mit einem Teller aufgewärmtem Essen zufrieden.«
»Sophia und ich sind aufgeklärte Frauen der modernen Welt«, war die Antwort seiner Frau. »Wenn man zu früh isst, wacht man mit einem Mordshunger lange vor dem Frühstückauf. Wir trinken nachmittags um vier Tee, und das reicht uns.«
»Was macht Wie-heißt-er?«, fragte er und lächelte zärtlich.
»
Julian
geht es prima«, sagte seine Mutter, »und natürlich schläft er.«
»Gib doch klein bei, Daddy«, meinte Sophia. »Julian ist ein guter Name.«
»Er ist albern«, sagte Carmine. »Du kannst nicht von meinem Sohn erwarten, mit einem albernen Namen auf die St. Bernard zu gehen.«
Sophia kicherte. »Ach komm, Daddy! Er ist so ein kleiner Haudegen, dass er eher ein ›Big Julie aus East Cicero, Illinois‹ wird.«
»Zum Teufel mit Guys and Dolls«, rief Carmine. »Schwuchtelig oder ein Gangster, Julian passt nicht. Er braucht einen ganz normalen Namen! Ich mag John, nach meinem Großvater Cerutti. Oder Robert, Anthony, James!«
Die Lasagne wurde angeschnitten; woher wusste Desdemona, wann er zum Abendessen erscheinen würde? Sophia füllte Salat in Schalen und schüttete die gewünschten Dressings darüber, füllte die Gläser, mit einem guten roten Italiener, bis auf ihr eigenes, in das sie ein Drittel Rotwein schenkte und es dann mit Mineralwasser auffüllte. Dann setzten sie sich.
»Wie wäre es mit Simon?«, fragte Sophia hinterlistig.
Carmine zischte zurück wie eine gereizte Schlange. »Albern bis schwuchtelig!«, entgegnete er barsch. »Was in England als normal gilt, ist eine Sache, aber das hier ist nicht England!«
»Du hast Vorurteile gegen Homosexuelle«, sagte Desdemona gelassen. »Und sag nicht ›schwuchtelig‹!«
»Nein, ich habe keine Vorurteile! Aber ich habe auch nicht vergessen, wie schwer es die Klassenkameraden einem
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