Zuckerguss (German Edition)
steht noch an genau demselben Fleck. Sein Pullover ist durchtränkt, die Haare hängen ihm gelockt ins Gesicht. Er guckt mich mit einer eigenartigen Mischung aus Erstaunen und wildem Temperament intensiv an. Ich bekomme eine Gänsehaut im Nacken, die sich über meinen ganzen Körper ausbreitet.
Über sein Gesicht huscht ein Funkeln, kaum vernehmbar. Mir ist es dennoch nicht entgangen. »Wir werden uns den Tod holen«, bemerkt David, doch er rührt sich keinen Millimeter von der Stelle.
Ich starre ihn an, schaue zu, wie ein einzelner Regentropfen seinen geraden Nasenrücken hinabläuft und dann an seiner Nasenspitze hängen bleibt.
Wie aus dem Nichts überkommt mich der Drang loszulachen, ein Kichern tief aus meiner Kehle. Es durchzuckt meinen ganzen Körper, schüttelt mich. Ich kann mich gar nicht mehr beruhigen.
David guckt mich verblüfft an. Dann fällt er in mein Lachen ein.
Gemeinsam stehen wir auf dem Bürgersteig und jauchzen wie kleine Kinder, während der Regen auf uns niederprasselt.
12
Der Vibrationsalarm meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Mürrisch strecke ich die Hand nach dem penetranten Teil aus, das einfach keine Ruhe geben will.
Verschlafen linse ich auf das Display.
Moritz.
»Weißt du, wie spät es ist?«
»8:02 Uhr«, schallt es vom anderen Ende. Mein Mitbewohner muss aus dem Bett gefallen sein. Und er ist schrecklich gut gelaunt.
»Ich hoffe für dich, dass es wichtig ist«, knurre ich, meinem Schlaf nachweinend.
»Wo steckst du?«
Ich rolle mich auf die andere Seite und schließe probeweise die Augen. Sinnlos. An Schlaf ist nicht mehr zu denken, ich bin hellwach. »Im Bett.«
Er zieht hörbar die Luft ein. »Mit einem Mann?«
»Moritz!«, herrsche ich ihn gereizt an. »Weshalb rufst du an?«
»Störe ich?«, amüsiert er sich. Ich will gar nicht wissen, was ihm jetzt für Bilder durch den Kopf gehen. Ehrlich nicht.
»Wie kommst du denn darauf?«
Ich ertappe mich dabei, wie ich die Erfindung der dummen Handys verfluche. Dauernd erreichbar zu sein ist großer Mist. Ganz gewaltiger Mist. Noch mehr verfluche ich aber meine fehlende Selbstdisziplin. Ich hätte das Ding ignorieren sollen. Dann hätte sich die Mobilbox mit Moritz rumärgern dürfen, und nicht ich.
»Stephan hat gestern angerufen. Er wollte wissen, ob du nun zu seiner Traumhochzeit kommst. Du hättest dich nicht mehr gemeldet.«
»Und deswegen klingelst du mich mitten in der Nacht aus den Federn?« Nur mit äußerster Anstrengung unterdrücke ich den Drang, das Handy gegen die Wand zu pfeffern.
»Beruhige dich. Ich hab ihm gesagt, dass du einen unglaublich wichtigen Termin hast und daher leider, leider verhindert wärst. Zufrieden?«, erkundigt er sich zerknirscht.
»Ja.« Ansonsten hätte ich Moritz erwürgt. Ich kann nicht glauben, dass Stephan nach meinem mehr als deutlichen Desinteresse für seine blöde Hochzeit ernsthaft eine weitere Antwort von mir erwartet hat. Tja, was ihm nicht ins Konzept passt, wird eben rigoros ignoriert.
»Wie lange bleibst du noch in Wismar?«, fragt Moritz, nachdem wir ein paar allgemeine Floskeln ausgetauscht haben und er mir versichert hat, dass die Wohnung nach wie vor unversehrt ist.
Ich ziehe automatisch die Schultern hoch. Dann fällt mir ein, dass Moritz mich nicht sehen kann. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.« Schockierenderweise stimmt das sogar. Seit dem Zoff vom Wochenende habe ich mir keine Gedanken mehr darüber gemacht, wie lange mein »Urlaub« in Wismar dauern soll.
»Dir gefällt es in Wismar.« Moritz’ Stimme hat diesen selbstgefälligen Ton angenommen.
»Ganz und gar nicht!«, wehre ich nicht sonderlich überzeugend ab.
»Sommer, Sonne, Strand und Meer vor der Haustür und einen Kerl im Bett, da würde ich auch nicht nach Hause wollen«, fährt Moritz ungerührt fort. Er genießt die Situation von Sekunde zu Sekunde mehr.
»Bist du high?« Ich schwanke zwischen Empörung und Belustigung.
»Wie ist er denn so?«
»Wer?«
Ich kann mir bildlich vorstellen, wie Moritz die Augen verdreht. »Dein neuer Prince Charming. Hoffentlich nicht solch ein Idiot wie Stephan.«
Ich stöhne laut auf. »Hat es Sinn, dir zu erklären, dass weder in meinem Bett noch in meinem sonstigen Leben ein neuer Prince Charming aufgetaucht ist?«
Für einen Augenblick herrscht Schweigen am anderen Ende der Leitung. »Und wen hast du deinen Eltern nach meinem Ausfall als deine große Liebe präsentiert?«
»Ich habe einen Callboy gemietet.«
»Du hast was ?« Ich muss
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