Zuckerguss (German Edition)
geflissentlich die Bilderrahmen hin- und herrückt und ein nicht vorhandenes Staubkorn aus der Vitrine wegpustet. Sie ist puterrot im Gesicht und bemüht sich angestrengt, den Augenkontakt mit mir zu vermeiden.
»Junge Liebe – Sie wissen doch, wie das ist«, schwärme ich mit seligem Gesichtsausdruck.
Die Hornbrille guckt mich säuerlich an. Liebe kennt sie dem Anschein nach nur vom Hörensagen. Kein Wunder, so giftig, wie sie dreinblickt, da würde ich auch die Flucht ergreifen; nicht nur wegen der abscheulichen Frisur und dieser Brille, die nicht mal vor dreißig Jahren modisch gewesen sein kann.
Als die Ladenglocke erklingt und ein älterer Herr sich wegen Passbildern erkundigt, wendet sie sich erhobenen Hauptes von mir ab, nicht ohne etwas von »Unverschämtheit« zu murmeln.
Ich zucke mit den Schultern. Die Hornbrille und ich werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr.
»Himbeersahnetorte, soso. Ich hatte ja keine Ahnung, was für Ideen dieses hübsche Köpfchen ausbrütet.« David tippt mit dem Zeigefinger gegen meine Stirn. Um seine Mundwinkel zuckt es verdächtig.
Ich spüre, wie mir das Blut in den Kopf schießt. Wie schaffe ich es bloß immer, mich in peinliche Lagen wie diese zu bringen?
Verschämt linse ich auf meine Schuhspitzen und möchte mich am liebsten unsichtbar machen.
»Äh … ja, das … w-war nicht ern-ernst g-gemeint«, stottere ich hilflos, knallrot im Gesicht. Mittlerweile ähnele ich höchstwahrscheinlich einer überreifen kanarischen Tomate.
David grinst breit, verkneift sich aber jeglichen Kommentar. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass die Sache damit keineswegs vom Tisch ist. Wahrscheinlich mache ich mich grundlos selbst verrückt. David wird wohl kaum nachts mit einer Himbeersahnetorte im Arm in mein Zimmer schneien, damit wir uns unsere Körper gegenseitig mit Himbeersahne einschmieren, sie danach hingebungsvoll aus unseren Bauchnabeln lecken und anschließend wilden, hemmungslosen Sex haben können. Ich schüttele heftig den Kopf, um die erotischen Bilder zu vertreiben. Wenn das so weitergeht mit meinen Tagträumereien, sollte ich wirklich einen Psychotherapeuten aufsuchen. Das ist doch nicht mehr normal, dass ich in Gegenwart eines halbwegs gutaussehenden Mannes total verruchte Phantasien entwickle – die noch dazu jeglicher Grundlage entbehren.
»Was führt dich zu mir? Außer deiner Sehnsucht und dem Angebot mit der Himbeersahnetorte natürlich«, erkundigt sich David mit einem Augenzwinkern, während er mich in sein privates Büro geleitet.
Davids Arbeitszimmer wirkt auf den ersten Blick wie jedes andere. Ein großer, lichtdurchfluteter Raum mit weiß getünchten Wänden, dessen gesamte Längsseite ein Sideboard einnimmt. Unter dem großen Fenster zum Hof steht ein massiver Schreibtisch aus Eiche, der neben einem aufgeklappten Notebook mit leeren Blättern, Fotos, Dias und verstreuten Büroutensilien zugemüllt ist. Kreatives Chaos nennt sich das bestimmt.
»Du siehst enttäuscht aus«, kommentiert David nüchtern mein nichtssagendes Gesicht. Er geht zum Fenster, um die Jalousie runterzuziehen, damit die Sonne das Zimmer nicht weiter aufheizt. Der Ventilator läuft bereits auf Hochtouren.
»Ich habe es mir anders vorgestellt«, gebe ich zu. Nicht so steril und eintönig, möchte ich hinzufügen, verkneife es mir aber.
David lacht und zieht einen Vorhang zur Seite, den ich zuvor nicht wahrgenommen habe. Ein abgewetzter Tapeziertisch kommt dahinter zum Vorschein. Zahlreiche Flaschen und Fläschchen stehen darauf, von denen ich nicht einmal ansatzweise weiß, wozu sie gut sind. In der hinteren Ecke stapeln sich Pakete mit Fotopapier bis fast an die Decke. Eine unscheinbare weiße Tür führt in einen weiteren Raum.
»Meine geheime gruselige Dunkelkammer«, scherzt David, als er meinen neugierigen Blick auffängt.
»Haha.«
Er geht ans Waschbecken und füllt Wasser in die Kaffeemaschine. »Mein Job ist bedeutend langweiliger, als du glaubst.«
»Garantiert spannender als mein momentanes Leben«, entschlüpft es mir unüberlegt. Im nächsten Moment möchte ich mir die Zunge abbeißen. Kann ich denn nicht ein einziges Mal meine vorlaute Klappe halten?
»Das meinst du nicht ernst«, sagt David ehrlich erstaunt.
Er hat recht. Langweilig ist mein Leben gerade wirklich nicht. Ich habe schließlich genug Komplikationen am Hals, die mich auf Trab halten. Vermutlich kommt es mir bloß so vor, weil ich das Gefühl habe, insgesamt mit meinem Leben in einer
Weitere Kostenlose Bücher