Zuckerguss (German Edition)
Sackgasse zu stecken. Was kommt beispielsweise nach der Uni? Mein ganzes restliches Leben hängt von dieser Entscheidung ab, und ich habe absolut keinen Plan. Nicht einmal ansatzweise. Bis hierhin bin ich gekommen. Aber was nun? Vor mir herrscht Dunkelheit, hinter mir ebenfalls. Ich bin lediglich mit einer flackernden Taschenlampe bewaffnet und suche den Ausweg. Den ultimativen Plan. Die Erleuchtung.
»Wie auch immer …«, sinniere ich und verscheuche die düsteren Gedanken. »Meine Mutter schickt mich wegen der Geburtstagsfotos. Ich hab ihr zwar gesagt, dass du sicher angerufen hättest, wenn sie fertig wären – aber nun ja, sie ist etwas eigen.«
David schmunzelt. »Sie hat Angst um unsere Beziehung, richtig?«
Ich verdrehe die Augen. »So in der Art.«
»Das kommt davon, wenn man seinen armen Freund so schändlich vernachlässigt. Kein Wunder, dass sie misstrauisch wird.«
»He, es war nicht die Rede davon, dass wir ständig aufeinanderhocken!«, entrüste ich mich.
Er runzelt die Stirn. »Wann hattest du eigentlich deine letzte richtige Beziehung?«, fragt David plötzlich wie aus dem Nichts. Er klingt sehr nachdenklich.
»Was geht dich das an?«, zische ich gereizt. Meine Stimme ist um mindestens zwei Oktaven angestiegen.
Er streicht sich über das Kinn. Sein Gesicht ist ausdruckslos. Er scheint tief in Gedanken zu sein. Ich möchte zu gerne wissen, was ihm durch den Kopf geht.
Eine ganze Weile schweigen wir uns an. Durchbohren uns mit Blicken. Keiner weicht dem Blick des anderen aus. Wir stehen einfach nur da, starren uns an wie Tiger in einem Käfig. Bereit für den Kampf.
»Du kannst die Krallen wieder einfahren, Schätzchen.« David lächelt versöhnlich, als ob nichts gewesen wäre.
Ich knirsche mit den Zähnen. »Ich bin nicht dein Schätzchen.«
»Ein bisschen mehr Einsatz von deiner Seite könnte jedenfalls nicht schaden. Ansonsten merkt deine Mutter schneller als du denkst, was los ist.«
Er klingt so wahnsinnig vernünftig, dass ich schreien möchte. »Du bist ein verdammter Klugscheißer!«
»Ich bin rational.«
Grrrr!!!
David schenkt Kaffee in zwei Becher und bietet mir wortlos einen an. Seinen Kaffee versüßt er mit drei Stück Würfelzucker und einer halben Packung Kaffeesahne. Er nimmt einen Schluck und lehnt sich gegen den Schreibtisch. »Um auf die Fotos zurückzukommen, ich konnte erst die Hälfte entwickeln. Ich war die Tage zu sehr mit anderen Aufträgen ausgebucht«, meint er schuldbewusst.
»Kein Problem. Meiner Mutter ging es ohnehin nicht um die Fotos. Vielmehr ärgert es sie, dass wir nicht genügend Zeit miteinander verbringen. ›Du hast noch nicht einmal bei ihm übernachtet‹«, ahme ich meine Mutter in diesem überbesorgten Tonfall nach, den Mütter perfekt beherrschen. Mir wird zu spät bewusst, wie diese Aussage auf David wirken muss. »Also nicht, dass ich … du weißt schon …«
David kommt einen Schritt auf mich zu. Ich halte unweigerlich die Luft an, unfähig, mich von der Stelle zu rühren. Er streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Bei der sanften Berührung fahre ich zusammen. Ein Stromschlag von zehntausend Volt durchzuckt meinen Körper. Die feinen Härchen in meinem Nacken stellen sich auf. Das Herz klopft mir bis zum Hals. Unaufhörlich pumpt es literweise Blut durch meine Adern. Fast habe ich Angst, dass David meinen unrhythmischen Herzschlag spürt.
»Du siehst niedlich aus, wenn dir etwas peinlich ist.« Seine Stimme klingt nicht im mindesten belustigt, sondern samtig-weich. Wie ein wohliger Schauer, der einem über den Rücken läuft. Gefährlich. Sehr, sehr gefährlich.
Davids Nähe macht mich zunehmend kirre. Nur nicht die Nerven verlieren, beginne ich mir einzureden. Das ist alles gaaaaaanz harmlos. Immerhin wollen wir als total verliebtes Pärchen durchgehen. David trägt nur seinen Part dazu bei. Mit bedeutend mehr Engagement und Überzeugung als ich, wie ich mir zähneknirschend eingestehen muss.
Er stupst mit dem Zeigefinger gegen meine Nase. »Hast du Lust, dir die bereits fertigen Bilder anzuschauen?«
Wie betäubt nicke ich. Kurz darauf höre ich ihn lautstark nebenan herumpoltern.
Ich gönne mir zwei, drei tiefe Atemzüge, um meinen Herzschlag wieder auf Normalmodus herunterzufahren. Dieses Auf und Ab meiner Hormone, sobald ich in Davids Nähe bin, wird mich in Teufels Küche bringen. Es wird Zeit, dass ich endlich wieder die Fäden in die Hand nehme und mich auf das Wesentliche konzentriere. Wie zum Beispiel
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