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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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schnellstmöglich und ohne Aufsehen nach Hannover zu verschwinden. Dann würden sich nämlich auch alle meine Sorgen mit einem Schlag in Luft auflösen.
    Neugierig betrachte ich einige von Davids Arbeiten, die über dem Sideboard hängen. Es sind ausnahmslos Landschafts- und Naturaufnahmen, teils in Schwarzweiß, teils als Panorama. Herbststürme über der rauen Ostsee, die alte Strandweide im Frühling sowie ein verlassener Leuchtturm, an dem schon das Efeu emporrankt, hängen neben einem kristallblauen Südseestrand mit einer einsamen Palme und einem gigantischen Sonnenuntergang im Hintergrund. Augenblicklich bekomme ich Fernweh. Auf einem anderen Bild ist eine vertrocknete Rosenblüte mit Regentropfen als Makro fotografiert worden. Die Rosenblätter sind farbig, der Rest ist in Schwarzweiß gehalten. Leben und Tod; verstörend, faszinierend und wunderschön zugleich.
    Ich bin wirklich beeindruckt, mit welcher Liebe zum Detail David die Motive eingefangen hat. Die Bilder ziehen einen förmlich in den Bann, werden zu einem Teil von einem selber. Es ist, als ob man in das Bild hineingezogen und sich einen Lidschlag später an genau diesem Ort wiederfinden würde. Wie bei Mary Poppins , wenn Mary mit Bert und den beiden Kindern Jane und Michael in die Pflastersteinbilder hineinspringt und die Motive zum Leben erweckt werden.
    Auch einige Wismarer Sehenswürdigen wie der Alte Hafen, der Marien-Kirchturm oder die Schweinsgrube fehlen nicht in Davids Sammlung. Am spannendsten sind jedoch die Aufnahmen von den engen, verwinkelten Wismarer Gassen, die David aus einem ganz eigenartigen Blickwinkel aufgenommen hat. Teilweise wirken sie dermaßen fremdartig, dass ich nicht weiß, um welche Straßen es sich tatsächlich handelt. Vielleicht liegt es an Davids Fotografien, aber ich bin in der Tat erstaunt, wie entzückend Wismar ist.
    Beim Betrachten der Fotos frage ich mich immer wieder, was jemand wie David in diesem Kaff eigentlich will. Mit seinem Talent sollte er die Welt bereisen, Ausstellungen planen und umjubelt werden. Verdient hätte er es. Stattdessen versteckt er sich hier, um langweilige Passbilder und Hochzeiten von Lieschen Müller zu fotografieren.
    »Okay, ich habe sie«, empfängt mich David mit einem entschuldigenden Lächeln.
    »Ordnung ist eben nicht jedermanns Sache«, feixe ich, obwohl ich diesbezüglich lieber den Mund halten sollte.
    David lacht. Er breitet ein halbes Dutzend Farbaufnahmen auf einem Beistelltisch aus und beugt sich fachmännisch darüber. Sorgfältig begutachtet er jede einzelne Fotografie, bevor er sie in Zweierreihen anordnet.
    Ich trete an Davids Seite und lasse meinen Blick über die sechs Abzüge schweifen. Auch ohne jegliches Fachwissen weiß ich, dass die Bilder großartig geworden sind. Jede Aufnahme besitzt eine ganz eigene Stimmung. Unverwechselbare Momente, individuell und zugleich Ausschnitte aus einem großen Ganzen. Auf einem meine Mutter mit einem unschuldigen Lachen, als sie von der Kamera ertappt worden ist. Daneben ein Bild, wo der Bürgermeister Mama kavaliersmäßig die Hand küsst, ehe er sie im nächsten Moment über die Tanzbühne schiebt.
    David stemmt die Arme auf den Tisch und dreht den Kopf zu mir. Sein Gesicht ist meinem ganz nah. Ich nehme seinen männlichen Duft sowie sein betörendes Aftershave, das nach Meer und ganz viel mehr riecht, wahr. Sein Atem streichelt meine Wange. Die Luft zwischen uns flimmert vor Anspannung. Hastig wende ich mich von ihm ab, gebannt auf die Fotos blickend.
    »Gefallen sie dir?«
    »Ich bin beeindruckt, Herr Vahrenberg.« Zu meiner eigenen Überraschung klingt meine Stimme überhaupt nicht piepsig oder eingeschüchtert.
    »Ehrlich?«
    »Ganz ehrlich.«
    David strahlt wie ein kleiner Junge, der zu Weihnachten die heißersehnte Ritterburg bekommen hat. Ich bin mir nicht sicher, ob das Funkeln in seinen Augen von dem Lob oder von dieser knisternden Atmosphäre zwischen uns herrührt.
    Ich räuspere mich mehrfach, denn der Kloß in meiner Kehle wird immer größer. »Was treibt jemand wie du in Wismar?«
    David legt fragend die Stirn in Falten. »Wie meinst du das?«
    »Na ja, offensichtlich hast du Talent. Zweifelsohne bin ich kein Experte – mich bringt schon der Auslöser einer Digicam in Erklärungsnot –, aber deine Bilder sind exzellent. Sie besitzen eine innere Natürlichkeit, Zartheit und Stärke zugleich. Als ob sie der Realität ein Stückchen entrückt wurden, aber trotzdem weiter fest in ihr verankert sind.« Ich

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