Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Foto. Moment, ja, wo habe ich es doch?” Edwin blätterte die Fotos durch. “Nein, ich kann es jetzt nicht finden. Aber du weißt ja, wie Männer sind. Man trinkt einen, und dann kommt da so eine süße Puppe, na ja, und man macht einen Flachs. Wie wäre es mit einem Foto? Wir beiden Hübschen auf der Platte, das wäre doch etwas.” Gaby sah zu Hubert. Edwins Redeschwall brach ab. “Was schaust du mich so an? Du hast doch von Edwin gehört, wie es war? Du willst doch aus einem albernen Foto kein Drama machen?” — “Natürlich nicht. Ich mache noch ein paar Häppchen zurecht.” Sie ging in die Küche und holte die Packung mit den kleine Toasts heraus. Frisches Tatar hatte sie gekauft und Krabben und eine feine Pastete und ein Stückchen Bauernkäse. Sorgsam bestrich sie die Häppchen mit dem Tatar und legte einen Zwiebelring darauf. Auf die Krabben setzte sie ein kleines Mayonnaiseröschen. Die Scheibchen mit der Pastete verzierte sie mit einer halben Olive. Nun noch den Bauernkäse in mundgerechte Stückchen. Hübsch, sehr appetitlich alles auf der Silberplatte angerichtet. Hatte sie von Huberts Mutter bekommen. “Mein Großer ist das so gewöhnt, Gaby. Das Auge will ja schließlich auch etwas.” Sie wusch ihre Hände und malte in dem kleinen Spiegel neben der Tür noch einmal ihren Mund rot nach. Blutrot wie eine Wunde. Alles hat seinen Preis. Ein Ring mit einem Smaragd war auch ein Preis.
Hatte Pappi ebenfalls immer gesagt. Er hatte es sogar noch deutlicher gesagt. “Alle Frauen sind käuflich. Jede hat ihren Preis.” Dann hatte er Gaby lächelnd angesehen. “Oder bist du anderer Meinung?” Gaby stand an der Tür und fühlte ihre Beine wieder steif wie Stelzen werden. So, wie sie sich angefühlt hatten, nachdem er ihr die zwanzig Mark für die Turnschuhe gegeben hatte. Ihr Preis für ‘ein wenig lieb sein’, wie Pappi es damals genannt hatte. “Du antwortest ja nicht?” hatte er gehöhnt. “Hast du deine Zunge verschluckt?” Ihre Blicke kreuzten sich. Letzte Woche. Sie mußte hundert Mark für die Klassenreise haben. “Tja”, Pappi hatte bedenklich seine Brieftasche gezückt, “ein ordentlicher Happen. Dafür ist aber etwas Besonderes fällig.” In dem Moment war Mutti ins Zimmer gekommen. Er hatte ihr den blauen Schein gegeben. “Gutes Benehmen vorausgesetzt”, hatte er nur noch gesagt. “Bedanke dich bei Pappi”, hatte Mutti gesagt und Gaby die hundert Mark weitergereicht. “Danke, Pappi”, hatte sie gesagt. In der Nacht holte er sich sein besonderes Dankeschön. “Mach den Mund auf’, hatte er heiser an ihrem Ohr geflüstert und sich dann vor sie hingestellt. Bevor sie wußte, was ihr geschah, preßte er sein ekliges Ding zwischen ihre Lippen, drückte es in ihren Mund. Sie begann zu würgen, Tränen schossen in ihre Augen. Es ging ganz schnell. Er schob es zwei- oder dreimal hin und her. Ich ersticke, dachte sie, oh Gott, ich bekomme keine Luft mehr. “Schluck es”, sagte er und riß an ihren Haaren. “Schluck es.” Und als er gleich darauf seine Kleider ordnete, hatte er gesagt: “Alles hat seinen Preis.” Sie hatte Pappi angesehen. Wie er da jetzt in seinem Lehnstuhl saß und seine Fingergelenke knacken ließ. Er verhöhnte sie. Glaubte, sie sei käuflich. Nie, hatte sie gedacht, nie kannst du mich kaufen. Meine Gedanken, meine Wünsche und meine Träume sind von mir. Du benutzt die Hülle. Und eines Tages bezahlst du die Rechnung.
Gaby ging zurück ins Wohnzimmer. Das kostbare alte Tablett zitterte in ihren Händen. “So sag mir doch, wenn du mich brauchst.” Hubert sprang auf und nahm ihr das Tablett ab. “Komm, setz dich, Gaby.” Er bot Edwin von den Häppchen an. “Hat sie das nicht lecker gemacht?” Er lächelte Gaby zu. Sie umschlang ihre zittrigen Beine mit beiden Händen. “Du mußt dich wirklich schonen”, sagte er liebevoll. “Schließlich wollen wir nicht, daß dem Baby etwas passiert.”
Sein schmales Gesicht mit der aristokratischen Nase war dicht vor ihr. Er duftete nach Paco Rabanne. “Es geht dir doch gut, mein Kleines? Du zitterst ja!” Er legte seine Hand über ihre fest ineinanderverschlungenen Hände. “Und eiskalt bist du auch. Ich bringe dir eine Wärmflasche.” Sie wollte sagen, nicht nötig und: mach dir keine Mühe, aber sie sagte nichts. Edwin war seit einer halben Stunde fort, sie hatte die Küche aufgeräumt und war nach oben gegangen. Das Zittern, das den ganzen Abend in ihr gelauert hatte, blähte sich auf und gewann die
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