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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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Menschen, die so etwas tun konnten?
    Sie hatte versucht, mit Hubert darüber zu reden. Er hatte sich nur geschüttelt wie ein Hund, der den Dreck von seinem Fell schüttelt. “Hör bloß mit solchen Horrormeldungen auf. Das sind doch Irre, die so etwas tun. Mit so etwas mußt du dich nicht befassen. Du bist schon nervös genug.” Nervös galt für alles. Für ihre schlechten Träume. Für das Zittern ihrer Hände. Für das Nicht-allein-Stehen-Können.
    “Zumindest hat Anne Franks Tod einen Sinn gehabt”, hatte sie nach der Theatervorstellung im Auto zu Hubert gesagt. “Und damit auch ihr Leben.” — “Jedes Leben hat einen Sinn”, hatte er achselzuckend geantwortet. Sie hatte nichts mehr gesagt und nach draußen gesehen. Dunkel war es, die Nacht lag rabenschwarz auf den Feldern und Wiesen.
    Welchen Sinn hat Hitlers Leben gehabt? Tod und Verwüstung. Ein Mann als Schlüsselfigur für Machtmißbrauch im äußersten Sinn. Verbrannte Erde, wo sein Name gefallen war.
    Welchen Sinn hat Pappis Leben? Und er lebte noch immer!
    Sie hatte als Kind auch begonnen, ein Tagebuch zu schreiben. Ein kleines Schloß hing daran mit einem feinen Schlüssel. Ich kann nicht mehr, hatte sie geschrieben. Ich kann nicht mehr, und ich will nicht mehr. Warum ist da niemand, der mir hilft? Am nächsten Tag lag das Buch auf ihrem Bett. Das Schloß war herausgebrochen, die Seiten herausgerissen.
    In der Küche hatte er sie am Arm gepackt. “Tue das nie wieder”, hatte er leise gesagt. “So etwas aufzuschreiben. Was du kannst und was du tust, das bestimme ich. Begriffen?” Mutti war böse geworden, daß das schöne Tagebuch mit dem feinen Goldrand später kaputt im Ascheimer lag. “Du mußt alles kaputtmachen. Wie kannst du nur?” — “Ja, wie kann ich nur”, hatte das Kind Gaby gesagt.

    Die Kinder sangen “Hoch soll sie leben”. Natalie hatte Daniel auf dem Arm, der ihr lachend die Arme entgegenhielt. “Mammi lieb!” Sie küßte erst ihn, dann die beiden Großen. “Wie hübsch ihr alles verziert habt.”
    Muttertag.
    Hubert hatte einen großen Strauß roter Rosen mitten auf den Tisch gestellt. “Für die beste und liebste Mutter!” — “Ich habe dir einen Kuchen gebacken”, sagte Manfred. “Ich habe dir ein Gedicht geschrieben”, sagte Natalie. Die schlichten Zeilen rührten sie an. Fand Natalie sie als Mutter doch nicht total gescheitert? Wußte sie, wie sehr sie sie liebte und wie sehr sie sich Sorgen über ihr unmäßiges Essen machte? Warum war Natalie nicht glücklich? Sie hatte eine Mutter, die alles für sie tat. Jeden Tag stellte Gaby sich hin und kochte auf ihren Wunsch die neuesten Diätrezepte für sie. Wunderte sich, daß Natalie trotzdem molliger und molliger wurde. Glücklich war sie, wenn sie ein hübsches Stück zum Anziehen für ihre Tochter gefunden hatte. “Danke”, sagte Natalie und legte es uninteressiert zur Seite. Sie nahm sich die Zeit, um mit ihr über ihre Probleme zu reden. Alles konnte ihre Tochter mit ihr besprechen. Warum fühlte sie, daß es doch nicht gut war? Warum war Natalie so feindlich? “Ganz natürlich in der Pubertät”, sagte Hubert. “Kinder setzen sich gegen ihre Eltern ab.” Er hatte gut reden. Ihn schien nichts wirklich zu berühren. Waren die Kinder freundlich und gut aufgelegt, prima, waren sie es nicht, zog er sich achselzuckend in sein Arbeitszimmer zurück. Sie hungerte nach der Liebe und Anerkennung ihrer Kinder. Manfred war trotz aller Frechheit anhänglich. War stolz auf seine junge Mutter. “Pim glaubt nicht, daß du meine Mutter bist”, hatte er noch gestern abend erzählt. “Du siehst ja jünger aus als meine Schwester, hat er gesagt.”
    “Der hat doch Tomaten auf den Augen!” Erbost war Natalie nach oben gelaufen. “Nicht sehr taktisch.” Hubert hatte den Kopf geschüttelt. Vorwurfsvoll sah Gaby Manfred an. “So etwas mußt du nicht sagen. Sie bekommt ja noch Komplexe.” — “Wenn sie dann weniger frißt”, sagte ihr Bruder ungerührt. “Ist doch nicht zum Ansehen, was sie alles in sich hineinschaufelt. Erst ißt sie deine Diät, und wenn du dich umdrehst, plündert sie den Kühlschrank.” Gaby ging hinter Natalie her, klopfte vergebens an ihre abgeschlossene Zimmertür. “Laßt mich bloß alle in Ruhe.”
    Sie begriff ihre Tochter nicht. Wenn sich je jemand so um sie bemüht hätte! “Geh doch einmal zum Arzt”, hatte sie ihr vor einigen Tagen vorgeschlagen. “Da muß doch etwas dahinterstecken, daß du so einen Hunger hast.

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