Zugzwang
winkte dem Wirt zu. Joshua verfolgte mit leerem Blick die Rauchschwaden, die gemächlich wie kleine Schäfchenwolken durch die Kneipe zogen. Gedankenversunken und mit müdem Ausdruck nickte er dem Wirt zu, während dieser Striche in seinen Deckel ritzte. Der zweite doppelte Whisky floss durch seinen Körper, Joshua sah das Gesicht seiner Frau vor sich. Er versuchte sich an ihre letzten Sätze zu erinnern. Sie verschwammen zusammen mit dem Bild zu einem Brei aus Melancholie und Sehnsucht.
Er trank das Bier und bemühte sich, die Geschehnisse der letzten Stunden zu rekapitulieren. Der Whisky schien seinen Verstand immer mehr auszufüllen. Für einige Minuten klammerte er sich noch an letzte Gedankenfragmente, bevor sie darin untergingen.
Nach dem fünften Gedeck spürte er seine Kopfschmerzen nicht mehr. Er überlegte kurz, Janine zu bitten, ihn noch eine Nacht in ihrer Wohnung schlafen zu lassen. In seinem Zustand und um diese Zeit würde er damit wohl nur Öl ins Feuer gießen. Als er seinen Deckel bezahlen wollte, musste er noch einmal zwanzig Euro zuschießen. Draußen auf dem Bürgersteig hatte er Mühe, normal zu gehen. Ein älterer Herr deutete auf seine Jeans. Er sah an sich herunter auf einen großen Blutfleck. Es hatte wohl keinen Zweck, er musste behandelt werden. So schnell es ihm in seinem Zustand möglich war, holte er einen Koffer aus dem Wagen und lief zum Taxistand. Kurz vor dem Taxi blieb er mit dem rechten Fuß am Bordstein hängen und landete unsanft auf dem feuchten, dreckigen Bürgersteig. Mühevoll klopfte er sich den groben Dreck von seinen Sachen. Der Alkohol nahm ihn mehr und mehr in Besitz.
Während der Fahrt zum Krankenhaus sah der Fahrer ihn immer wieder aus dem Augenwinkel heraus an. Er schien zu überlegen, mit seinem Fahrgast zur Polizei zu fahren. Ständig machte er zweideutige Anspielungen über Funk. Am Krankenhaus erwartete sie dann vor der Notaufnahme ein Streifenwagen. Einer der Polizisten riss die Beifahrertür des Taxis auf und sah Joshua verwundert an.
»Hauptkommissar Trempe. Sie sind das. Gibt es Probleme?«
»Nein … Ich … muss nur verarztet werden. Vielleicht hat der Taxifahrer Probleme. Was bekommen Sie von mir?«
Der Fahrer errötete. Stotternd nannte er Joshua den Fahrpreis und entschuldigte sich höflich. Das Taxi fuhr weg und Joshua verabschiedete sich von dem Kollegen. Dieser schien die Fahne bemerkt zu haben. Die Andeutung eines Grinsens stand auf seinem Gesicht.
In der Notaufnahme traf er die Ärztin wieder, die ihn bereits in Schändlers Villa behandelt hatte. Sie bat ihn, sich die Jeans auszuziehen und auf die Liege zu legen.
»Nicht zu glauben. Ein gestandener Kommissar muss sich erst Mut antrinken. So schlimm wird es schon nicht werden.«
Sie schnitt den Verband durch und schüttelte dabei mit dem Kopf. Das Reinigen der Wunde schmerzte mehr als die Spritzen für die örtliche Betäubung. Die Wunde musste mit fünf Stichen genäht werden. Nach einer halben Stunde war sein Bein bereits wieder verbunden und man brachte ihn in die Röntgenabteilung. Vorher kam noch eine Frage, die ihn zusammenzucken ließ.
»Soll ich Janine anrufen, damit sie herkommt?«
»Wie bitte?«
»Ihre Frau. Wir joggen gelegentlich zusammen.«
»Nein, bitte sagen Sie ihr nicht, dass ich hier war.«
Sie sah ihm fragend hinterher und Joshua war klar, ihre Neugierde hatte er mit dieser Antwort nur noch mehr geschürt. Janine würde sich große Sorgen machen und ihre Entscheidung bestätigt sehen. Er nahm sich vor, sie gleich am nächsten Morgen anzurufen.
Das Röntgenbild ergab keinerlei Schädigung seiner Schulter. Sie teilten ihm mit, er müsse unbedingt noch zur Beobachtung dort bleiben. Da er keine Alternative für die Nacht sah, ließ er sich Zimmer und Dusche zeigen. Sein Schlaf sollte von Albträumen zerrissen werden.
4
Edgar Pfeifer sah ihn ungläubig an. Es war ein anstrengender Tag. Bei freiem Eintritt und attraktiven Startern hatten sie einen enormen Zuspruch, zumal auch das Wetter mitspielte. Als Rennleiter konnte er mit dem Saisonauftakt mal wieder äußerst zufrieden sein. Seine Laune war prächtig, er genoss den Erfolg. Bis zu dem Augenblick, da Wehling, sein Geschäftsführer, das Büro mit dem herrlichen Ausblick auf die Rennbahn betrat. Wehling wirkte nervös, gereizt. Seine Worte klangen konfus. Pfeifer runzelte die Stirn.
»Wie meinst du das? Was soll nicht mit rechten Dingen zugegangen sein?«
Karsten Wehling ließ sich schwerfällig in den Ledersessel
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