Zugzwang
Keiner von denen, die ich gefragt habe, konnte mir schlüssig erklären, warum sie oder er gerade diese Dreierwette getätigt hatten. Da kamen die tollsten Begründungen. Aber letztlich wusste niemand so genau, warum. Die hatten keinen Tipp aus den Medien, kannten keinen aus den Rennställen und nichts. Edgar, die Sache stinkt gewaltig, das sage ich dir!«
Edgar Pfeifer kratzte sich an der Stirn und lehnte sich nachdenklich zurück.
»Weiß die Presse davon?«
»Ich denke nicht, woher denn auch?«
Wehling sah ihn erstaunt an, als habe er nicht mit dieser Frage gerechnet, dann erschrak er.
»Moment Edgar, du meinst doch nicht etwa, wir sollen diese Sache totschweigen? Vergiss es! Hier ist irgendwie manipuliert worden. Solange wir nicht wissen, wie und von wem, können wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Das kann uns Kopf und Kragen kosten. Wir müssen die Polizei einschalten und zwar sofort!«
Pfeifer war erneut aufgestanden und lief mittlerweile nervös hin und her. Mit einem Taschentuch wischte er sich Schweiß von der Stirn.
»Das kann uns noch viel mehr schaden. Hinterher entpuppt es sich als heiße Luft und wir haben die schlechte Publicity. Stelle dir mal vor, was hier los ist, wenn auch nur der Verdacht der Manipulation durch die Presse geistert. Ausgeschlossen. Lass uns die Lage ruhig und sachlich analysieren. Wer ist zu Schaden gekommen, wer hat davon profitiert?«
Wehling wollte gerade protestieren, überlegte es sich aber im letzten Moment anders. Sein Chef hatte Recht. Wenn die Presse Wind davon bekam, würden sie das Kind mit dem Bade ausschütten. Seine Augen folgten dem herumlaufenden Pfeifer. Es machte ihn nervös.
»Also zu Schaden gekommen sind hunderte von Wettern. Profitiert hat keiner davon. Die Wetten lagen ja alle daneben. Richtig Gewinn gemacht hat eigentlich nur eine Hand voll Wetter, die nicht dem Trend folgten.« Bei den letzten Worten schluckte er. Umständlich zog er ein Blatt Papier aus seiner Gesäßtasche. Während er es überflog, murmelte er undeutlich. Wehling klappte das Blatt zusammen, zog seine Stirn in Falten und schüttelte den Kopf.
»Die paar Gewinne fielen auf Einzel- und Zweierwetten, der höchste Gewinn betrug zweitausendeinhundert Euro. Dafür zieht doch keiner so ein Riesending auf. Wir müssen reagieren, je eher, desto besser!«
Pfeifer spürte seine Unsicherheit. Er konnte ihn verstehen. Aber die Panikreaktion seines Geschäftsführers würde eine nicht mehr zu bremsende Lawine auslösen. Darunter hätte der gesamte Trabrennsport zu leiden und ihr Verein würde verschüttet werden.
»Karsten«, er legte seinen rechten Arm dabei brüderlich auf die Schulter seines Angestellten, »ich schwöre dir, es bereitet mir genauso große Sorgen wie dir. Ich werde alles daran setzen, die Sache aufzuklären. Lass’ uns eine Nacht darüber schlafen und später eine gründliche Untersuchung starten. Notfalls engagieren wir einen Detektiv, aber um Gottes willen nichts an die Öffentlichkeit, bevor wir die Angelegenheit geklärt haben. Es geht auch um deinen Job, einverstanden?«
Wehling zog die Mundwinkel nach unten und stand auf.
»Du bist der Boss«, sagte er noch und verließ den Raum.
5
»Drescher kommt gleich rein. Geht es dir schon besser?«
Daniel van Bloom sah ihn leicht besorgt an. Er trug heute einen dunkelbraunen Anzug und eine auffällige dunkelrote Krawatte über einem hellblauen Hemd.
»Ja, geht so.«
Joshua fühlte sich übernächtigt, aber es ging ihm tatsächlich etwas besser. Durch seine Unterschrift musste er die Verantwortung für die vorzeitige Entlassung übernehmen. Die Kopfschmerzen, mit denen er heute Morgen aufgewacht war, verschwanden nach der Einnahme der Tabletten zum Frühstück und der kalten Dusche. Der pelzige Belag auf der Zunge störte ihn noch. Erneut schüttete er sein Glas voll Mineralwasser. Glücklicherweise hatten die Kollegen, die ihm am Krankenhaus begegnet waren, noch nichts erzählt. Den schwierigen Anruf bei seiner Frau schob er noch vor sich her. Er war als Erster im Büro und hatte sich die Protokolle der Kollegen bereits durchgelesen. Keiner der Nachbarn hatte etwas gesehen oder gehört.
»Was wissen wir über diese Familie?«
Daniel lehnte sich zurück und spielte mit einem Kugelschreiber.
»Viel habe ich gestern Abend nicht herausfinden können. Vor drei Monaten hat es bei denen gebrannt. Brandstiftung übrigens. Eine Brandbombe, die mit der Paketpost kam. Die Kollegen sagten, Schändlers hätten sich damals
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