Zugzwang
während der Ermittlungen sehr unkooperativ verhalten. Die Sache wurde auch nicht aufgeklärt.«
»Versicherungsbetrug?«
»Haben die nicht nötig. Der Schändler hatte mehr Geld, als du in deinem Leben zählen kannst, besaß eine große Werbeagentur, die Millionenumsätze macht.«
»Ein Racheakt. Von einem Konkurrenten vielleicht?«
»Schon eher. Die Kollegen haben natürlich damals in diese Richtung ermittelt, aber negativ. Die Akten liegen hier.«
Van Bloom deutete auf einen Stapel Akten vor ihm auf dem Schreibtisch. Joshua rieb sich grübelnd das Kinn. Sein Bein begann leicht zu schmerzen. Sie hatten es ihm im Krankenhaus prophezeit.
»Was ist eigentlich mit der Kleinen, wo ist die jetzt?«
»Rosa? Richtig heißt sie Rosalinde Schändler. Sie befindet sich im Krankenhaus. Schwerer Schock. Die Ärzte meinen, sie sei vorläufig nicht ansprechbar.«
Ich bin auch nicht immer ansprechbar, dachte sich Jo-shua. Sie ist im Augenblick die wichtigste Person in dem Fall. Bei dem Gedanken daran bekam er Angst.
»Wird sie bewacht?«
»Nein, wird sie nicht.«
Joshua schoss nach vorne. Mit beiden Armen stützte er sich auf dem Schreibtisch ab und sah seinen Kollegen herausfordernd an.
»Sieh’ mich nicht so an. Ich wollte einen Kollegen davor stellen, aber König war anderer Meinung. Er kam mir mit unnötigen Kosten, die nicht zu rechtfertigen wären. Winnie ist heute Morgen nicht da, irgend so eine Tagung.«
Joshua schnellte hoch und verließ so schnell, wie es sein schmerzendes Bein zuließ, das Büro.
König benutzte ein kleines freies Büro im Polizeigebäude, um nicht ständig zwischen Gericht und Präsidium pendeln zu müssen.
Ohne anzuklopfen stürmte er in das Zimmer des Staatsanwaltes. Dieser ließ erschrocken seinen Stift auf den Tisch fallen und holte tief Luft. Bevor er etwas sagen konnte, kam Joshua ihm zuvor.
»Herr König«, er betonte Herr besonders, »warum haben Sie die Überwachung der Tochter zweier Mordopfer abgelehnt und kommen Sie mir nicht mit Kostenfragen.«
König stand nun auch auf. Sein Gesicht begann sich rötlich zu färben, bevor er Joshua anschrie.
»Was bilden Sie sich ein, Trempe. Stürmen hier herein und brüllen mich an. Das werde ich mir nicht bieten lassen. Nicht von Ihnen!«
»Beantworten Sie mir bitte meine Frage!«
Joshua schrie in derselben Lautstärke zurück. Der Staatsanwalt schluckte kurz und setzte sich wieder hin. Joshua blieb stehen. König sprach in einem strengen, aber ein wenig leiserem Tonfall weiter.
»Aus meiner Sicht besteht keine mittelbare Gefahr für Frau Rosalinde Schändler. Wenn der Täter sie hätte ebenfalls töten wollen, hatte er die Gelegenheit dazu. Im Übrigen ist keinesfalls erwiesen, dass er von der Anwesenheit der Tochter zur Tatzeit überhaupt Kenntnis besaß. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher. Oder glauben Sie, dass ein achtzehnjähriges Mädchen zusieht, wie ihre Mutter ermordet wird und anschließend seelenruhig in ihr Zimmer geht, um Musik zu hören? Der Mörder konnte zurecht davon ausgehen, unerkannt geblieben zu sein. Sie können da ganz beruhigt meiner Erfahrung vertrauen, Herr Trempe.«
Für einen kurzen Augenblick war Joshua von der Logik des Staatsanwaltes gefesselt. Der kühle Analytiker ließ jedwede Emotionen außen vor. Andererseits war nicht davon auszugehen, dass dieses Mädchen unter Schock rational reagieren konnte.
»Wer sagt denn, dass der Täter nicht von Anfang an vorhatte, sie zu töten. Vielleicht habe ich ihn nur überrascht und er ist geflüchtet.«
König blieb für Sekunden stumm.
»Davon weiß ich nichts, schließlich liegt mir der entscheidende Bericht, nämlich der von Ihnen, immer noch nicht vor.«
»Mit anderen Worten: Frau Schändler bleibt so lange in Lebensgefahr, bis dem Herrn Staatsanwalt mein Bericht vorliegt?«
König biss sich auf die Lippen. Nervös spielte er mit seinen Fingern.
»Ich glaube nicht, dass sie in Lebensgefahr ist, aber bitte, lassen Sie diese Frau bewachen und jetzt raus aus meinem Büro!«
Grußlos drehte Joshua sich herum und lief hinaus. Vor der Tür stieß er mit Max Drescher zusammen.
»Du hast ja eine komische Art, Freundschaften zu pflegen.«
»Ach leck mich doch. Komm mit und erzähl’ mir was Positives!«
Daniel van Bloom legte gerade den Telefonhörer auf, als die beiden ins Büro kamen. Joshua deutete auf den Besucherstuhl und bat Max, loszulegen.
»Dann will ich mal anfangen. Zunächst zur Tatwaffe. Es handelt sich um eine Makarov PB, neun Millimeter.
Weitere Kostenlose Bücher