Zugzwang
geliebten Job gegen einen Schreibtischposten beim Landeskriminalamt einzutauschen. Dass dabei eine entsprechende Beförderung inbegriffen war, reizte ihn auch nicht besonders. Schließlich kamen sie auch so klar.
Als Alternative drohte das Ende seiner Familie. Joshua liebte beides, Job und Familie. Aber es gelang ihm nicht, es unter einen Hut zu bringen. Wie oft kam es schon vor, dass er während einer laufenden Ermittlung wochenlang praktisch nur zum Wechseln der Kleidung nach Hause kam. Das war es nicht. Das machte ihm mehr zu schaffen als Janine. Es war die Angst. Die Angst um ihn, die seine Frau nachts nicht schlafen ließ. Die Vorstellung, er könnte einmal nicht wieder nach Hause kommen, machte sie wahnsinnig. Seit einem halben Jahr war sie in therapeutischer Behandlung. Seinetwegen, was ihm ein schlechtes Gewissen bereitete. In Gegenwart von David und Britt sprachen sie nie darüber, dennoch hatte er in letzter Zeit den Eindruck, die beiden veränderten sich. David wurde immer ruhiger, ging nur noch selten auf den Bolzplatz zu seinen Freunden. Britt konnte nicht mehr alleine sein, ständig suchte sie die Begleitung ihrer Eltern oder ihres Bruders.
Nun saß er im Wagen und war auf dem Weg zu seinen Eltern, um sein ehemaliges Zimmer wieder zu beziehen. Er hatte bis zuletzt nicht daran geglaubt, dass es soweit kommen würde und sich nicht um eine eigene Wohnung bemüht. Zum Glück hatte er ein freies Wochenende und konnte sich am morgigen Samstag darum kümmern. Ihm graute vor den Vorhaltungen seiner Eltern. Ihrer Meinung nach hatte eine Frau sich hinter ihren Mann zu stellen, bedingungslos. Außerdem wusste Janine ja von Anfang an, auf was sie sich einließ. Ihm war klar, dass er es nicht lange ohne seine Familie aushalten würde. Sein Entschluss stand fest. Er würde alles dafür tun, so schnell wie möglich an diesen Posten beim LKA zu kommen, egal wie. Joshua bemühte sich darum, die Sache so positiv wie möglich zu sehen. Geregelte Arbeitszeiten, mehr Wochenenden bei der Familie. Außerdem würde er Jack wieder häufiger zu Gesicht bekommen. Jack, der eigentlich Joachim Holsten heißt, war sein bester Freund. Seit der Grundschule waren sie unzertrennlich. Sie besuchten auch gemeinsam die Polizeihochschule. Jack war schon lange beim LKA, Abteilung Wirtschaftskriminalität. Ihm gefiel es dort sehr gut. Aber was ihren Beruf betraf, gingen ihre Ansichten auseinander. Joshua musste raus auf die Straße, mit Menschen in Kontakt kommen, vor Ort ermitteln. Er war jedes Mal schlecht gelaunt, wenn es über einen längeren Zeitraum nur Schreibtischarbeiten zu erledigen galt. Wie ein Tiger im Käfig lief er dann im Präsidium herum. Seine Reizschwelle lag in solchen Zeiten sehr niedrig. Obwohl es ihn oft tief in seiner Seele berührte, sehnte er sich insgeheim und ohne es sich selbst einzugestehen, nach dem nächsten Verbrechen. Es war der Kick, den er brauchte. Janine warf ihm oft vor, seinen Beruf mehr zu lieben als seine Familie. Das sah er anders und er spürte es in diesem Augenblick so heftig wie nie zuvor.
Mühsam arbeiteten die Scheibenwischer gegen den immer stärker werdenden Regen an. Die mächtigen dunkelgrauen Wolkenberge schienen alle Hoffnungen zu erdrücken. Wie geduckt lagen Wiesen und Sträucher unter ihnen. Ihr kräftiges Grün hielt sich unter einem nebeligen Grauschleier verborgen. Seine Zuversicht auch.
Die Scheiben wurden jetzt auch von innen feucht. Er hatte Janine den Volvo überlassen und fuhr den alten Golf. Den hatte er mal günstig von einem Kollegen bekommen, als ›Winterauto‹. Im Sommer wollte Joshua wieder Motorrad fahren. Am liebsten mit David auf dem Sozius und Janine und Britt auf einer zweiten Maschine neben ihm. Schmerzlich registrierte er die Ferne zu diesem Erlebnis. Vor nicht allzu langer Zeit noch optimistisch und glücklich, trugen seine Gedanken ihn nun über den Friedhof seiner Träume.
Als Joshua auf den elterlichen Hof fuhr, lief ihm seine Mutter schon mit einem Regenschirm in der Hand entgegen. Er hatte sie unterwegs von seinem Vorhaben unterrichtet. Sie hatten es ihm vor längerer Zeit schon einmal angeboten, als er nach einem Krankenhausaufenthalt absolute Ruhe brauchte. Joshua brauchte aber seine Familie dringender.
»Das musste ja so kommen«, begann seine Mutter auch gleich, »wir haben dir immer gesagt, die Janine macht das nicht mit, die steht das nicht durch. Hättest du damals mal gleich auf uns …«
»Mutter bitte!« fuhr Joshua dazwischen.
»Wenn ich
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