Zugzwang
jetzt dauernd diese Vorhaltungen zu hören bekomme, fahre ich in ein Hotel. Ansonsten lasse mich bitte zuerst meine Koffer ins Zimmer bringen.«
Seine Mutter gab bei und er wusste genau, dieses Thema war noch lange nicht vom Tisch. Eine Wohnung zu suchen, würde sich nicht lohnen, war er überzeugt. Gleich morgen früh würde er mit Elsing über seine Versetzung reden.
In seinem Zimmer dachte Joshua noch einmal über alles nach. Janine hatte seinetwegen wirklich viel mitgemacht. Vor drei Jahren der schwere Unfall während einer Verfolgung. Acht Wochen Krankenhaus und die gleiche Zeit in der Reha. Das war verdammt knapp. Zu Anfang meinten die Ärzte, er müsse sich daran gewöhnen, für immer auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Voriges Jahr war er von einem Zuhälter niedergeschossen worden. Zwei Wochen hatte er auf der Intensivstation im künstlichen Koma gelegen. Janine erlitt einen Nervenzusammenbruch. Seitdem quälten sie Schlafstörungen. Wenn sie nachts einen Einsatz hatten, war es am schlimmsten. Sie saß dann in panischer Angst zu Hause neben dem Telefon. Er selbst hatte monatelang Albträume gehabt, war ein halbes Jahr lang in psychologischer Behandlung. Nur mit viel Mühe und großen Anstrengungen konnte er damals seine Versetzung in die Verwaltung verhindern. Janine erzählte er nichts davon. Mittlerweile schaffte er es, diese Vorfälle zu verdrängen.
Als Joshua mit seinen Eltern beim Abendbrot saß, kam es zum Eklat. Sein Vater verlangte offen von ihm, sich von seiner Frau zu trennen. Sie wäre zu weinerlich für die Frau eines Polizisten, ihr fehle es an Nervenstärke.
Der alte Trempe war stolz, als Joshua in seine beruflichen Fußstapfen trat und wie er damals zur Polizei ging. Eine erstklassige Laufbahn, bis er vor drei Jahren als Kriminalrat in Pension ging. Seine Mutter genoss das hohe Ansehen, das ihr in der Nachbarschaft entgegengebracht wurde. Es machte ihr nichts aus, wenn ihre Persönlichkeit auf die Frau Kriminalrat reduziert wurde. Sie sah es als ihre Aufgabe an, dem erfolgreichen Mann für dessen Karriere privat den Rücken freizuhalten. Sie hatte Kunst studiert, doch ihr Gatte machte ihr sehr schnell klar, wie sinnlos diese Berufsausrichtung hinsichtlich der Ernährung einer Familie doch wäre. Da war seine Profession doch wesentlich ergiebiger. Sie glaubte ihm, wie immer. Dabei begann es für ihn nicht gerade systemkonform. Als Mitglied der APO war er an diversen Demonstrationen beteiligt, meistens gegen den Vietnamkrieg. An langen Winterabenden erzählte er oft davon und dass er Rudi Dutschke persönlich kannte. Aber nie vergaß er am Schluss darauf hinzuweisen, dass es sich um Jugendsünden handelte, die nicht zur Nachahmung empfohlen waren. Von seiner Mutter erfuhr Joshua sogar mal von einer Anzeige wegen Landfriedensbruch, die gegen seinen Vater erstattet wurde und dass er seinen Vornamen der pro israelischen Einstellung seines Vaters verdankte. Als dieser noch darauf hinwies, was für ein Glück Janine doch hätte, nicht an seinen Bruder geraten zu sein, reichte es Joshua endgültig.
Er knallte sein Messer so laut auf den Teller, dass seine Mutter zusammenzuckte.
»Mir reicht’s! Ich bin es satt, mir ständig eure Vorhaltungen anzuhören. Ich liebe meine Frau und die Kinder und werde alles dafür tun, zu ihnen zurückzukehren! Und was Manuel betrifft, solltet ihr euch mal fragen, warum er nicht mehr kommt.«
Joshua sprang auf und ging in sein Zimmer. Die beiden Koffer hatte er noch nicht ausgepackt. Im Flur lief er grußlos an seinen Eltern vorbei zum Hof. Seine Mutter rief ihm noch etwas hinterher. Er hörte es nicht mehr. Er warf die Koffer in den Wagen und fuhr mit durchdrehenden Rädern auf die Hauptstraße. Apathisch richtete er seinen Blick nach vorne. Er dachte daran, wie sein Bruder Manuel jetzt wohl reagieren würde. Seine Eltern hatten ihm dauernd vorgeworfen, sein Studium abgebrochen zu haben, um Kunstschmied zu werden. Es war Manuels große Leidenschaft. Seit sechs Jahren lebte sein Bruder nun auf Ibiza. Damals sagte er, auf Ibiza würden auch schwarze Schafe gebraucht. Heute hatte Manuel einen festen Kundenstamm und führte ein angenehmes Leben. Im vorigen Jahr verbrachten sie die Herbstferien bei ihm. Er lebte in Sanct Miguel, einem malerisch schönen Küstenort. David schwärmte noch heute davon, in einer echten Piratenhöhle gewesen zu sein. Die Freibeuter gelangten zu der Zeit durch eine Grotte in diese Höhle. In den weit verzweigten Gängen dieses
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