Zuhause in deinen Armen
ist sechzig Jahre alt, hat noch alle Zähne und dichtes weißes Haar, das er unentwegt zurückstreicht. Wenn er arbeitet, findet man am Ende alle Farben darin, die er benutzt hat."
Jodie musste bei der Vorstellung lachen. "Ich sehe ihn beinahe vor mir", sagte sie. "Ist er groß oder klein?"
"Eher groß. Früher hatte er auch einen kräftigen Körper, aber jetzt ist er dünn und abgemagert ... nur noch Haut und Knochen, wie man sagt. Er hat Ihre Augen. Sie sind nicht mehr so hell und klar, aber sie funkeln noch, wenn ihn etwas erregt oder begeistert. Ich glaube, dass Sie ihm auch charakterlich sehr ähnlich sind."
„In welcher Hinsicht?"
„Er ist ehrlich, gütig und großzügig..." Morgan unterbrach die Lobeshymne und lächelte mutwillig. "Aber auch trotzig, aufbrausend, verbohrt und manchmal einfach unerträglich."
"Dann verhüte Gott, dass wir uns jemals streiten", erklärte Jodie lachend, wurde aber gleich wieder ernst. "Ich freue mich, dass Dad ein guter Mensch ist.
Mum hat nie über ihn gesprochen, aber als ich älter wurde, zog ich meine eigenen Schlüsse. Ich kannte Mum inzwischen. Wahrscheinlich hat Dad sie fortgeschickt, weil sie einen Freund hatte."
"So könnte es gewesen sein", bestätigte Morgan taktvoll. Er richtete Jack höher auf und wurde mit einem "Bäuerchen" belohnt, bei dem einige Tropfen Milch auf den Bademantel liefen. Daher also die Milchflecken, die Jodie bei ihrer Ankunft auf Morgans Pullover bemerkt hatte! "Braver Junge."
"Sie sind ja ganz vernarrt in ihn", meinte Jodie scherzhaft.
Morgan sah sie scharf an. "Passt Ihnen das vielleicht nicht?"
„Im Gegenteil", beruhigte sie ihn. "Es gefällt mir."
Morgan schämte sich ein wenig wegen seiner scharfen Reaktion. "Ich hänge nun mal an dem Kleinen", erklärte er und wechselte schnell das Thema. "Aber wir sprachen von Ihnen. Sie waren sechs, als Ihre Mutter starb?"
Jodie nickte. "Das war vor genau achtzehn Jahren. Seitdem quält es mich, dass ich keine Familie habe." Sie beugte sich vor, aber ihre Hoffnung, Morgan würde ihr Jack in den Arm legen, erfüllte sich wieder nicht.
"Kann ich helfen?" fragte sie, als er aufstand und anfing, mit einer Hand aufzuräumen.
"Nein", antwortete Morgan schroff und setzte dann mildernd hinzu: "Trotzdem danke. Wollten Sie mir nicht von Ihren Pflegeeltern erzählen?"
Jodie ließ sich erfolgreich ablenken. "Sie waren sehr streng mit mir", erzählte sie. "Manchmal kam mir der Verdacht, sie hätten mich nur wegen des Fürsorgebeitrags aufgenommen, der monatlich für mich gezahlt wurde. Ich kann mich nicht erinnern, dass einer von ihnen je mit mir gespielt oder mich in den Arm genommen hätte. Dennoch ..." Jodie erlaubte sich auch im Rückblick keine Sentimentalität. "Sie gaben mir ein Heim, und ich lernte, selbstständig zu sein und für mich zu sorgen."
Morgan setzte Jack einen kleinen Hut auf, der ihm ein lustiges Aussehen verlieh. "Nur beim Kochen haperte es?"
Jodie sprang auf und reichte ihm die warme Jacke, auf die sein Blick gefallen war. Er nahm sie, ließ aber nicht zu, dass sie beim Anziehen half.
"Meine Pflegemutter hat mir die Anfänge des Kochens beigebracht. Wenn ich aus der Schule kam, musste ich immer das Abendessen zubereiten. Vielleicht hatte ich deswegen später keine Lust mehr, meine Kenntnisse zu erweitern. Ich fürchtete immer nur, die teuren Zutaten zu verderben." Jodie lächelte schalkhaft.
"Einmal habe ich fast die Küche in Brand gesetzt, weil ich meinem Freund unbedingt etwas Besonderes vorsetzen wollte. Von da an ließ ich fast alles anbrennen ... sogar Salat. Es waren wohl die Nerven."
Morgan lachte herzlich über diese Geschichte, was Jodie leicht verlegen machte. Der heitere, entspannte Morgan war ihr noch fremd. Die Lachfältchen um den Mund, die strahlend weißen Zähne und der Kobold in den dunklen Augen ... Ihr war, als müsste sie doppelt auf der Hut sein.
"Ich werfe mir rasch etwas über, und dann schöpfen wir ein wenig frische Luft", kündigte Morgan an. "Jenseits der Straße beginnen die Wiesen. Möchten Sie mitkommen?"
"0 ja, gern", antwortete Jodie glücklich. "Ich hole mir nur eine Jacke aus meinem Koffer."
"Brauchen Sie sonst nichts?"
"Vielleicht einen Schal. Warum?"
"Ich dachte mehr an feste Schuhe."
Jodie sah auf ihre nackten Füße und errötete. Sie durfte nicht so voreilig sein.
Wenn sie ihr Temperament nicht zügelte, kam Morgan womöglich noch auf falsche Ideen!
"Schuhe?" rief sie verächtlich, um ihre Verlegenheit zu verbergen. "Wie
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