Zukunftsmenue
Umsatzrückgang bei den Veterinärantibiotika führen müssen. Das Gegenteil aber war der Fall. Im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten des Verbots stieg der Umsatz von Antibiotika in Deutschland um 7 Prozent und im folgenden Jahr sogar um 9,2 Prozent. Die bis Ende 2005 zugelassenen antibiotischen Leistungsförderer spielen heute praktisch keine Rolle mehr. Stattdessen werden häufig die für die therapeutische Anwendung zugelassenen Antibiotika verwendet. Sie werden den, wohlgemerkt, gesunden Tieren in geringerer, also nicht therapeutischer Dosierung verabreicht. So wird zum Beispiel die für eine Heilbehandlung von fünf Tagen vorgegebene Antibiotikamenge auf fünfzehn Tage gestreckt, nur um die Mastergebnisse zu verbessern.
Ist der Maststall durch den Einsatz von Antibiotika ein ungefährlicher, weil keimfreier Raum?
Im Gegenteil. Durch die länger andauernde Verabreichung subtherapeutischer Dosen überleben nach dem Darwin’schen Gesetz die vitalsten der bakteriellen Keime und bilden auf Dauer Resistenzen gegen die verabreichten Medikamente. Die erworbenen Resistenzen werden nicht nur an nachfolgende Bakterien-Generationen weitergegeben, sondern können durch verschiedene Formen des Gen-Austausches auch auf andere Arten von Bakterien übergehen und somit neue Resistenzträger hervorrufen.
NACHHALTIGE LANDWIRTSCHAFT ALS STAATSZIEL
Das Grundgesetz beauftragt den Staat, »auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung« zu schützen. Seit 2002 gibt es sogar eine regelmäßig aktualisierte Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, die helfen soll, dieses Staatsziel zu verwirklichen. In den entsprechenden Managementregeln heißt es: »Eine nachhaltige Landwirtschaft muss natur- und umweltverträglich sein und die Anforderungen an eine tiergerechte Tierhaltung und den vorsorgenden, insbesondere gesundheitlichen Verbraucherschutz beachten.« Trotz dieser recht eindeutigen Ansage sind die Ergebnisse bislang dürftig. Das anvisierte Ziel eines ökologisch genutzten Flächenanteils von 20 Prozent lag 2011 bei gerade einmal 6,1 Prozent 5 . Die höchsten Anteile an Ökolandbaufläche innerhalb der 27 EU-Länder haben Österreich (18,5 Prozent) und Schweden (12,8 Prozent).
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Woraus ergibt sich die Gefahr für den Menschen?
Es gibt zahlreiche Infektionserreger, die sowohl beim Tier als auch beim Menschen vorkommen und wechselseitig übertragbar sind, sogenannte Zoonosen. Eine gravierende Bedrohung für die menschliche Gesundheit sind Hospitalkeime, auch nosokomiale Keime genannt. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Infektionserreger ist durch Antibiotikamissbrauch in der intensiven agrarindustriellen Nutztierhaltung quasi herangezüchtet worden und über aktive und passive Übertragung in Krankenhäuser, Kliniken, Altenheime und Rehabilitationseinrichtungen gelangt. Hier können sie insbesondere bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem wie Babys, alten Menschen und Chemopatienten zu teilweise schweren Sekundärerkrankungen führen. Von jährlich 14 Millionen stationären Patienten in Deutschland erkranken fast eine Million an nosokomialen Keimen. Davon sterben nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jedes Jahr 15.000. Durch den Antibiotikamissbrauch schreitet die Resistenzentwicklung ständig fort, so dass die vorhandenen Medikamente bei Mensch und Tier immer mehr ihre Wirksamkeit verlieren – bis hin zum völligen Therapieversagen.
Wie haben Sie die ganze Entwicklung verfolgt?
Schon ab Ende der 1980er Jahre wurde uns in Südoldenburg immer deutlicher vor Augen geführt, dass sich in der Intensivmast der Infektionsdruck in den Betrieben von Jahr zu Jahr verstärkte und man im Wesentlichen mit ständig steigendem Arzneimitteleinsatz darauf reagierte. Daraufhin habe ich für die beiden Landkreise Cloppenburg und Vechta einen Initiativplan kreiert und nicht nur Wissenschaftler und Tierärzte, sondern auch betroffene Verbände und Betriebe dafür gewonnen. Meine Vorschläge zur Einrichtung eines »Instituts für Tiergesundheit Oldenburger Münsterland« mit dem Ziel effizienterer Diagnostik sowie Maßnahmen zur Reduzierung des Infektionsdrucks und des Antibiotikaeinsatzes wurden jedoch letztlich von der Agrarindustrie und deren Lobby abgeschmettert mit dem Argument: »Wir haben in Südoldenburg das Know-how und die Medikamente – sprich Antibiotika – und brauchen eine derartige Einrichtung nicht.« Die
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