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Zukunftsmenue

Zukunftsmenue

Titel: Zukunftsmenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wiener
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Entwicklung der folgenden Jahre und hier vor allem das Ansteigen der eklatanten Antibiotikaresistenz-Problematik ergab jedoch ein völlig anderes Bild. Der eigentliche Grund für die damalige Ablehnung dürfte gewesen sein, dass sich Agrarwirtschaft und Pharmaindustrie nicht in die Karten schauen lassen wollten. Fazit: Nicht nur die Tiere werden krank. Das ganze System ist krank.

    Der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung ist um ein Vielfaches größer als in der Humanmedizin. Warum ist das so?

    Wie bereits gesagt sind die Züchtung, die desaströsen Haltungsbedingungen und der unreflektierte und missbräuchliche Antibiotikaeinsatz die Hauptfaktoren des ganzen Dilemmas. Hinzu kommt Folgendes: Bis September 2012 waren die in der Veterinärmedizin jährlich eingesetzten Antibiotikamengen eines der größten Geheimnisse
der Bundesrepublik Deutschland. Jahrelang haben deutsche Tierarzneimittelhersteller mit falschen Daten über die jährlichen Antibiotikaabgabemengen die Öffentlichkeit getäuscht. Die Anwendungsmengen von Antibiotika in der Tiermedizin wurden vom Bundesverband für Tiergesundheit (BfT) – dem Interessenverband deutscher Pharmaunternehmen für Tierarzneimittel – für 2003 mit 724 Tonnen und für 2005 mit 784,2 Tonnen angegeben. Noch am 11. Januar 2012 erklärte der Geschäftsführer des BfT: »Im Jahr 2011 sind in den Tierställen in Deutschland rund 900 Tonnen Antibiotika eingesetzt worden.« Weiter heißt es: »Mehr als 90 Prozent der eingesetzten Antibiotika werden in der Nutztierhaltung eingesetzt.« Ergo zur Lebensmittelgewinnung.

    Genau neun Monate später, am 11.9.2012, wurden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) erstmals objektivierbare Zahlen veröffentlicht, und zwar für das Jahr 2011 mit insgesamt 1.734 Tonnen! Zu fragen ist, wie so etwas passieren kann, obwohl inzwischen allgemein bekannt ist, dass auf Grund ständig anwachsender Antibiotikaresistenzen in Deutschland jährlich bereits 15.000 Menschen sterben.

    Der Nordrhein-Westfälische Landwirtschaftsminister Johannes Remmel erklärte daraufhin in einer ersten Stellungnahme: »Der Einsatz von Antibiotika erreicht neue Horror-Zahlen.« Und obwohl die neuen Daten fast das Doppelte der bisher vom BfT herausgegebenen Zahlen bedeuteten, verkündete der Deutsche Bauernverband in den Medien in völliger Verdrehung der tatsächlichen Ergebnisse: »Der Deutsche Bauernverband wertet die Zahlen als Beleg für den verantwortungsvollen Umgang der Landwirte und Tierärzte mit den antibakteriellen Arzneien.« Für mich dagegen waren die veröffentlichten Zahlen des Antibiotikaeinsatzes ein Skandal, auf den ich am 12.9.2012 mit einer Presseerklärung reagierte mit der Überschrift »Die Antibiotikalüge«.

    Warum setzt man eigentlich die gleichen Antibiotikastämme bei Tier und Mensch ein?

    Weil das Antibiotika-Reservoir begrenzt ist und kaum neue auf den Markt kommen. Es gibt eine Reihe von Präparaten, die nur für den Menschen zugelassen sind. Aber in »besonderen Fällen« kann der Tierarzt im Rahmen einer sogenannten Umwidmung teilweise auf diese Medikamente zurückgreifen und diese dann auch zur Behandlung bei Tieren anwenden. Also: Keine Regel ohne Ausnahme.

    Wenn ich mit Vertretern der Nahrungsindustrie rede, höre ich oft: Unsere Lebensmittel sind so sicher und hygienisch wie nie zuvor. Ist das auch Ihre Meinung?

    Dies ist nur teilweise richtig. Lassen Sie mich dazu nur drei Bemerkungen machen:

    1. Die Verbraucher glauben häufig, dass man sich mit dem Verzehr von Lebensmitteln tierischer Herkunft besonders aus der Massentierhaltung Antibiotika einverleiben würde. Dem ist aber in der Regel nicht so. Denn es gibt sogenannte Wartezeiten, das ist die Spanne, die ausreicht, dass die Medikamente aus dem Tierkörper verschwunden
sind. Dies wird durch regelmäßige Probenahme mittels des sogenannten Hemmstofftests überprüft und zieht bei positivem Nachweis empfindliche Sanktionen nach sich. Aus diesem Grund werden, egal ob Therapie oder missbräuchliche Prophylaxe, die Mittel entsprechend der vorgegebenen Wartezeit vor der Schlachtung abgesetzt. Von daher bestehen für den Verbraucher keine besonderen Gefahren.

    2. Durch die intensive agrarindustrielle Nutztierhaltung im Gegensatz zu alternativen bäuerlichen Betrieben mit wesentlich geringeren Tierzahlen ist in der Regel mit weit höherer Keimbelastung zu rechnen. Erst durch die küchenmäßige Zubereitung (Braten, Kochen u.a.) und sonstige

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