Zukunftsmenue
war.
Bei dieser wie bei vielen anderen Gelegenheiten haben wir uns in den Schilderungen aller möglichen Speisen verloren und festgestellt, dass viele Köstlichkeiten ein unverdientes Schattendasein führen. Ganz vorneweg die völlig unterschätzten Innereien. Aber auch das Resteessen, das früher mal eine bunte und große Tradition hatte, ist so gut wie verloren gegangen. Umso bereichernder war mein anschließender Briefwechsel mit Lojze.
Sarah Wieners Briefwechsel mit Lojze Wieser
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Lojze Wieser lebt als Verleger, Herausgeber und Autor in Klagenfurt/Celovec. Schwerpunkt seines Programms ist die südosteuropäische Literatur. Seit der Gründung des Verlags 1987 erschienen über 900 Titel, sowohl Sachbücher als auch Belletristik. d Er selbst ist Autor von Büchern über Essen und Ernährung wie beispielsweise »Die Zunge reicht weiter als die Hand. Anmerkungen eines Grenzverlegers« und »Kochen unter anderen Sternen. Geschichten über entlegene Speisen«.
Juni 2012
Lieber Lojze,
ich denke immer wieder an unser köstliches Lammmahl zurück, als wir auf dem Weg nach Slowenien waren. Wir haben damals viel über die Resteküche gesprochen, erinnerst Du Dich? Was hast Du eigentlich damals mit den Resten von unserem Festmahl gemacht? Und: Hast Du eigentlich ein Lieblings-Restlgericht?
Ich liebe ja die süßen Varianten mit alten Semmeln, aus denen ich etwas backe. Es leben die österreichischen Mehlspeisen! Oder ich mache literweise geröstete Grießsuppe. Herrlich!
Wer hat Dir denn eigentlich das Kochen beigebracht? Und: Wo gehst Du einkaufen und wie hast Du zu Deinem Geschmack gefunden?
Ich grüble über mein Buchkonzept nach … so komplex … Hilfe!
Erst mal gute Nacht,
Sarah
Liebe Sarah,
vielen Dank für Deinen Brief. Ich habe noch einmal über Deine Buch-Idee nachgedacht und finde, es trifft den Nerv der Zeit, was Du da machst. Auch entspricht es meinen inneren Wünschen und Anliegen, mit Essen umzugehen und so vielleicht einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten zu können.
Ja, unser Lammessen… da improvisiere ich gerne ein wenig: Für das, was von so einem Mahl übrig bleibt, schneide ich die Reststücke vom Fleisch klein, vermenge es mit dem garen Reis und gebe noch, wenn nötig, ein wenig Butter dazu. Das eine und andere Mal mische ich auch fein geschnittene, frische Kräuter oder getrocknete Tomaten darunter und serviere es wie Reisfleisch mit einem Salat. Das geschieht eher alles intuitiv, wie’s kommt.
Das Fleisch hole ich immer bei »meinem« Bauer ein, zweimal Zicklein, ein Lamm, vom Rind gute Stücke und solche, die andere nicht verwenden. Ich fange das Blut von der Ziege auf und mache daraus kleine Blutwürste, da das Blut der Ziege das gesündeste ist, wie die Rehleber, die Antikrebsstoffe in sich hat. Ich bekomme auch von einem Schlachter, mit dem ich aufgewachsen bin, oft Teile, die man heutzutage nicht mehr erhält. Und ich experimentiere natürlich auch mit anderen Gewürzen und Küchenerfahrungen, denen ich auf Reisen begegne. Damit variiere ich meine heimischen Produkte und Geschmäcker.
Wie ich zum Kochen kam? Dazu schreibe ich Dir nächstens.
Mein Geschmack ist durch meine Kindheit geprägt. Mit zwölf habe ich der Mutter die erste Torte zum Muttertag gemacht, wobei das Süße nie so meine Sache war, ich war eher der Fleischesser. Dann habe ich sogar eine Weile Koch gelernt, weil ich mit dreizehn Jahren meinte, ich werde Koch. Zwei Jahre später war der Wunsch dann verflogen. Der Wissensdurst war über mich gekommen, und ich ging weg von Klagenfurt nach Wien.
Geld hatte ich nie viel; ich habe eigentlich von dem gelebt, was ich von zu Hause mitbekam: Schmalz, Grammeln e , Speck, Marmelade, Obst und später, als wir eine Kühltruhe hatten, auch eingefrorenes Schweinefleisch. Das habe ich in Zeitungspapier gepackt und gehofft, dass es auf der Fahrt bis nach Wien nicht auftaut, und wenn, so habe ich’s rasch verkochen müssen und dann eine Woche davon gelebt.
Einmal in der Woche habe ich mir ein Menü in der Riemergasse gönnen können, um 3,50 Schilling, drei Gänge. Der Ober hat beim Servieren immer die halbe Suppe ausgeschüttet, weil er schon so alt war und so gezittert hat. Aber die Bude war gedroschen voll.
Später habe ich meine Lieben bekocht. Neugierig war ich immer, und experimentiert habe ich auch stets.
Ich umarme Dich.
Herzlichst,
Lojze
Lieber Lojze,
so schön! Danke. Wie hältst Du es denn mit altem Brot? Und denkst Du daran, mir noch weiter
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