Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
war fassungslos, dass er sie dermaßen eiskalt abservierte. Als wäre sie Luft für ihn, strebte er schnurstracks dem Ausgang zu. Frustriert heftete sie sich an seine Fersen. »Mr. Ratliff«, rief sie kleinlaut.
Er blieb stehen und drehte sich gefährlich langsam zu ihr um. Andy beschlich das unangenehme Gefühl, von winzigen Lasern durchbohrt zu werden, als sein Blick sie vom Scheitel bis zu den Spitzen ihrer neuen Stiefel vermaß.
»Ich mag keine ehrgeizigen, karrieregeilen Tussis, Ms. Malone. Und genau diesen Eindruck machen Sie auf mich. Ich sträube mich vehement dagegen, dass mein Vater Interviews gibt – und vor allem Ihnen. Also packen Sie Ihre neuen Klamotten zusammen und Ihren hübschen kleinen Arsch wieder nach Nashville, wo Sie herkommen.«
In dem kleinen, stickigen Motelzimmer knallte Andy ihre Handtasche auf das Bett und warf sich in den unbequemen Sessel. Presste die Finger auf ihre Stirn, während sie mit den Daumen die hundsgemein dröhnenden Schläfen massierte. Keine Ahnung, ob es an
der Hitze, dem ungewohnten Klima oder an Lyon Ratliffs rigoroser Abfuhr lag. Jedenfalls hatte sie wahnsinnige Kopfschmerzen. Sie seufzte. Ganz bestimmt hatte es mit diesem unsäglichen Typen zu tun. Warum auch legte er ihr gnadenlos Steine in den Weg?
Ein paar Minuten später stand sie auf, streifte die ungewohnt steifen Stiefel von den Füßen und trat sie beiseite. »Nichts für ungut, aber genug ist genug«, knirschte sie. Sie glitt ins Bad, wo sie zwei Aspirin mit dem lauwarmen Wasser herunterspülte, das aus dem Kaltwasserhahn kam.
»Wieso hast du ihm nicht einfach eine in seine arrogante Visage verpasst?«, fuhr sie ihr Spiegelbild an. »Stehst da rum wie eine komplette Vollidiotin und lässt dich von ihm niederbügeln, tss!« Sie löste die Spange aus ihrem Haar und schüttelte es missmutig nach hinten, was ihren Kopfschmerzen gar nicht guttat. »Und das alles nur, weil du dieses blöde Interview willst, stimmt’s?«
Ihr grauste davor, Les anzurufen. Was sollte sie ihm berichten? Er steckte berufliche Niederlagen nur schlecht weg, wobei Niederlage noch milde ausgedrückt war. Während sie Vorwahl und Nummer eintippte, überlegte sie, wie sie ihm die Hiobsbotschaft schonend beibringen könnte. Die Telefonistin von Telex meldete sich, und sie ließ sich in Les’ Büro durchstellen. »Ja«, vernahm sie seine gereizte Stimme in der Leitung.
»Hi, ich bin’s.«
»Ach nee, und ich dachte schon, du wärst in diesem Provinznest von irgendwelchen Cowboys gekidnappt worden. Echt nett von dir, dass du dir die Zeit nimmst, mich anzurufen.«
Zynismus. Momentan schien Zynismus schwer angesagt. Andy trug es mit Fassung, wie sie Les’ sämtliche Launen ertrug. »Tut mir leid, Les, aber ich hab deshalb nicht angerufen, weil ich nichts Positives für dich hatte. Schon vergessen, unser Memo im letzten Monat von wegen unnötiger Kosten durch ineffiziente Ferngespräche?«
»Aber das gilt doch nicht für dich, Andy-Maus«, sagte er etwas versöhnlicher. »Wie kommst du denn so klar in der Wildnis?«
Sie rieb sich die pochenden Schläfen. »Nicht besonders«, meinte sie gedehnt. »In den ersten Tagen habe ich komplett auf der Stelle getreten. Inzwischen weiß ich auch nicht viel mehr, bloß, dass der Garten um das Ranchhaus neu gestaltet werden soll. Das ist alles. Das und wo Lyon Ratliff, der Sohn, bisweilen zu Mittag isst, wenn er in der Stadt ist. Heute hatte ich immerhin das Vergnügen, den Gentleman persönlich kennen zu lernen.«
Sie starrte auf ihre Nylonsöckchen und wackelte mit den Zehen, bemüht, Lyons beißenden Kommentar beim Hinausgehen auszublenden. Und sich stattdessen auf seinen Blick zu konzentrieren, als sie einander das erste Mal tief in die Augen geschaut hatten.
Sie hatte sich einfach toll gefühlt … begehrenswert wie schon lange nicht mehr.
»Und«, bohrte Les ungeduldig.
»Oh … und … ähm … das ist echt ein harter Brocken, Les. Der bleibt stur wie ein Maultier. Unmöglich, mit diesem Rüpel vernünftig zu reden.«
»Klingt nach einem verdammt netten Typen«, wieherte Les.
»Er war regelrecht verletzend zu mir.« Abwesend zupfte sie an einem Wollfaden des leuchtend rot und schwarz gestreiften Bettüberwurfs herum. »Inzwischen bin ich schwer im Zweifel, Les, ob es überhaupt Sinn macht. Vielleicht sollten wir die Sache fallen lassen. Was, wenn der alte General wirklich zu geschwächt ist für ein Interview? Die Berichte über seinen Gesundheitszustand stimmen mich
Weitere Kostenlose Bücher