Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
Nervenenden. Als würde sie bei lebendigem Leib seziert – von Lyon Ratliff, der diese besondere Spezies mit wissenschaftlichem Interesse betrachtete.
Als seine Augen zu ihrem Mund schweiften, senkte sie den Blick. Tastete nach ihrem Glas und hätte es um ein Haar umgestoßen. Sie biss sich nervös auf die Lippe. Blöde Kuh, schimpfte sie sich im Stillen. Statt ihn von sich abzulenken, verstärkte sie seinen visuellen Forscherdrang womöglich noch.
Was war bloß auf einmal mit ihr los? Das hier war ein Job wie jeder andere. Und sie ein Vollprofi, oder? Seit drei Tagen war sie hinter diesem Typen her, erkundigte sich beiläufig nach ihm und seinem Vater, saugte jede noch so winzige Information auf wie ein Schwamm und ertrug rüde Abfuhren. Stundenlang hatte sie sich in dem altbackenen Schönheitssalon herumgedrückt und dem Provinzklatsch gelauscht, in der Hoffnung, irgendetwas Substanzielles über die Ratliffs herauszubekommen. Und sich höflich, aber entschieden geweigert, dass man ihr eine Dauerwelle verpasste, »damit Ihr Haar mehr Volumen bekommt«. Letztlich hatte sie nicht mehr erfahren, als dass Lyon an der letzten Tanzveranstaltung im Countryclub nicht hatte teilnehmen können, weil es seinem Daddy gesundheitlich schlechter ging, dass er neue Pflanzen für die Ranch bestellt hatte – und dass die Manikürekraft mit Sicherheit vom Marquis de Sade höchstpersönlich ausgebildet worden war.
Und jetzt, wo er nur ein paar Schritte von ihr entfernt saß, brachte sie doch tatsächlich keinen vernünftigen Satz heraus und hätte sich am liebsten in ihre Bestandteile atomisiert. Wo, bitte schön, war
ihre professionelle Coolness, ihr Selbstvertrauen geblieben? Die Hartnäckigkeit, mit der sie üblicherweise die Gesprächsführung bestritt, hatte sich verflüchtigt. Die Objektivität, die sie sonst bei ihren Reportagen auszeichnete, schien ausgeblendet – wegen der schier umwerfenden sexuellen Ausstrahlung dieses Mannes. Sie hatte Prominente, Politiker und Staatsoberhäupter interviewt – sogar zwei Präsidenten der Vereinigten Staaten – und dabei kein bisschen Fracksausen gehabt. Und dann das: Dieser Cowboy kommt in einen angeranzten Schnellimbiss spaziert – und schon bin ich ein hoffnungsloses Nervenbündel.
Krampfhaft um Fassung bemüht, hob sie den Kopf und musterte ihn trotzig. Er taxierte sie dermaßen abschätzig, dass ihr die Luft wegblieb. Um seine Mundwinkel herum zuckte es verächtlich. Die Botschaft war auch ohne Worte eindeutig:
Okay, okay, die Gleichberechtigung der Frau mag ja für sich gesehen eine prima Sache sein. Aber momentan bist du für mich nichts weiter als ein Lustobjekt, und da gibt’s verdammt noch mal nichts dran zu rütteln, Kleine.
Doch , fauchte sie im Stillen. Sie würde ihm diese arrogante Nummer schlicht und einfach austreiben müssen. Ihm in ruhigem, sachlichem Ton beibiegen, für wen sie arbeitete und warum sie hergekommen war … Sobald er seinen Cheeseburger verputzt hat , entschied sie gnädig, da Gabe ihm soeben das Ungetüm vor die Nase schob.
Abwesend blätterte sie in Gabes angeschmuddelter, fettgesprenkelter Speisekarte. Die Preise waren im Laufe der Jahre immer wieder durchgestrichen oder neu übermalt worden. Andy schlürfte ein weiteres Glas von dem ekelhaft süßen Tee. Beobachtete, wie eine Mutter ihrem kleinen Jungen Ketchup vom Mund wischte, woraufhin dieser sich eine weitere matschige Fritte nachschob und den Ausgangszustand wiederherstellte. Sie spielte an dem Drahtgestell herum, in dem drei Flaschen Steaksauce standen. Zupfte vier Papierservietten aus einem Spender und tupfte umständlich den Wasserring auf, der sich unter ihrem Glas gebildet hatte.
Schließlich fasste sie sich ein Herz und spähte zum Ende der langen Theke hinüber: Lyon war fast fertig mit seiner opulenten Mahlzeit. Er nippte an einem Kaffee, seine langen, schlanken Finger zupackend um den Becher gelegt. Konzentrierte sich auf das Verkehrschaos, das draußen vor der breiten Glasfront des Schnellimbiss herrschte. Als sie jedoch von dem hohen Barhocker herunterglitt, riss er sich von dem Anblick los und schaute zu ihr herüber. Noch während sie ihm zulächelte, hätte sie sich ohrfeigen mögen. Herrje, hoffentlich wirkte ihr Lachen nicht zu mädchenhaft oder wie ein Flirt, und er fasste das Ganze als Anmache auf!
»Hallo«, sagte sie. Auf wackligen Beinen stakste sie zu ihm und blieb neben seinem Stuhl stehen.
Er begutachtete sie mit einem langen Blick und
nickte
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