Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
misstrauisch. Womöglich steht er die Aufregung nicht durch. Oder ist gar nicht mehr dazu in der Lage, Fragen zu beantworten. Was hältst du davon, wenn ich die Zelte abbreche und zurückkomme?«
»Andy-Maus, was ist denn auf einmal mit dir los? Ist dir etwa die heiße texanische Sonne zu Kopf gestiegen?«
Sie vermochte sich Les bildhaft vorzustellen. In diesem Augenblick würde er seine Füße in den bequemen Wildledertretern vom Schreibtisch nehmen, den Chefsessel näher heranrollen und das Kinn wie Rodins »Denker« in die Hand stützen. Seine horngerahmte Brille auf den rotblonden Haarschopf schieben
oder irgendwo auf dem hoffnungslos überfüllten Schreibtisch ablegen, zwischen überquellende Aschenbecher, leere Schokoriegelverpackungen und wochenalte Zeitungsartikel. Wäre sie jetzt nicht tausend Meilen weit weg, sondern in seinem Büro, träfe sie tiefe Verachtung aus seinen kalten, blauen Augen. Sie schauderte, als spürte sie seinen vernichtenden Blick bereits durchs Telefon.
»Willst du dir von diesem bornierten Bauernlümmel etwa in die Parade fahren lassen, Baby? Da hast du doch schon ganz andere Kaliber bewältigt. Knallharte Brocken. Weißt du noch, diese durchgeknallten Gewerkschaftsfuzzis? Sind mit Stöcken auf unseren Fotografen losgegangen, aber dir fraßen sie nach zehn Minuten quasi aus der Hand. Weil sie scharf waren auf deinen Luxusbody. Jeder Mann, der Augen im Kopf hat …«
»Les«, unterbrach sie ihn scharf. »Ich darf doch sehr bitten.«
»Bitten, um was? Baby, bei dir würde ich mich nicht lange bitten lassen. Wann immer du Lust hast.«
Sie, Les Trapper und Robert Malone hatten gemeinsam bei einem kleinen Fernsehsender angefangen. Les hatte die aktuellen Nachrichtensendungen produziert, Robert war Reporter gewesen. Andy hatte die Abendnachrichten moderiert, gemeinsam mit einem linkischen Jerry-Lewis-Typen, der schon seit der Gründung des Senders dabei war. Die Unternehmensleitung hatte sich verständlicherweise nicht
dazu durchzuringen vermocht, diesem bebrillten Urgestein nach all den Jahren noch zu kündigen.
Auch nach ihrer Heirat mit Robert waren die drei gute Freunde geblieben. Da sich ihr Mann als Fernsehkorrespondent häufig im Ausland aufgehalten hatte, war sie ab und zu mit Les ausgegangen, aber natürlich rein platonisch.
Unvermittelt dachte sie wieder an jenen Abend, als Les sie aufgesucht und ihr schonend beigebracht hatte, dass Robert bei einem Erdbeben ums Leben gekommen war. In Guatemala, wo er für eine Reportage recherchierte. Les hatte sich über Wochen hinweg rührend um sie gekümmert, ihr vieles abgenommen, was sie psychisch nicht verkraftet hatte. Noch Monate nach Roberts Tod hatte sie sich hinter Les versteckt. Für sie war er der große Beschützer.
Sie waren Freunde geblieben und arbeiteten inzwischen beide für Telex. Dass Les seine schlüpfrigen Angebote nicht ernst meinte, war ihr sonnenklar. Er war nie solo, hatte immer irgendwas am Laufen, oft sogar mehrere Affären nebeneinander.
Gleichwohl hatte der Job oberste Priorität für ihn. Das war immer so gewesen und würde auch so bleiben. Er war enorm ehrgeizig. Für eine Superstory hätte er vermutlich sogar seine eigene Großmutter verkauft. Er war ein ausgekochtes Schlitzohr, und nach Andys Einschätzung fehlte es ihm des Öfteren an Sensibilität und Taktgefühl. Seine Ausdrucksweise
war bisweilen unterste Schublade, seine Launen waren legendär.
Trotzdem war er ihr Freund. Und ihr Chef. Und deshalb rückte sie besser schleunigst mit einer konstruktiven Idee heraus.
»Was hältst du davon, wenn ich Lyon Ratliff zu einem Interview bewege? Er wäre sicher …«
»Stinklangweilig. Der lässt doch nichts raus. Teufel noch mal, kannst du mir mal verraten, wer sich für diesen Nobody interessiert? Wir brauchen den alten Herrn, Andy-Maus. Und zwar dalli, bevor er uns abkratzt, klar? Du willst doch groß rauskommen, oder?«
»Na logo. Das wäre absolut genial.«
»Okay, dann solltest du dich schleunigst von der Ich-pack-das-nicht-Nummer verabschieden.« Seine Stimme wurde merklich weicher. »Andy-Maus, du hast es drauf. Du kannst es mit den Spitzenleuten beim Sender aufnehmen. Du hast Talent. Du bist die beste Reporterin, die ich kenne. Weißt du noch, wie du diesen Massenmörder fertig gemacht hast? Der Typ hat echt geheult. Ich hab’s gesehen – auch ohne Brille. Du bist jung, klug, sexy, ein Vollblutweib mit Augen, bei denen Männer schwach werden. Setz deine Superfigur ein. Verführ diesen
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