Zum Heiraten verfuehrt
Zwillinge hatte sie sich keine Sekunde geschämt und würde sie sich auch nie schämen. Vom ersten Moment an war sie entschlossen gewesen, ihnen eine gute Mutter zu sein, auf die die beiden stolz sein konnten, eine Mutter, die ihr verbürgtes Recht auf Leben keine Sekunde lang infrage gestellt hatte, ganz egal wie sehr sie die Umstände ihrer Zeugung auch bedauern mochte.
Ihre Söhne waren alles für sie, ihre Söhne waren ihr Leben.
„Meine Söhne …“, begann sie.
„Meine Söhne, meinst du wohl. In meinem Land hat nämlich automatisch der Vater das Sorgerecht für seine Kinder.“
„Du bist aber nicht der Vater meiner Söhne“, behauptete Ruby entschieden.
„Du lügst“, konterte Sander, während er ein Foto aus der Tasche zog und ihr hinhielt.
Ruby spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. Sie sah es sofort: Das Foto stammte von jenem Tag, an dem die ganze Familie ihre mittlere Schwester, die nach Italien fliegen wollte, zum Flughafen gebracht hatte. Die Zwillinge waren ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.
Sander, dem nicht entging, dass Ruby blass geworden war, gestattete es sich, ihr einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. Natürlich waren das seine Söhne. Das war ihm auf Anhieb klar gewesen. Die verblüffende Ähnlichkeit mit ihm hatte ihn in seinen Grundfesten erschüttert wie nichts jemals zuvor.
Dem Detektiv, den er mit der Suche beauftragt hatte, war es nicht schwergefallen, Ruby aufzuspüren. Beim Lesen des Abschlussberichts hatte Sander allerdings gestutzt. Die Nachforschungen der Detektei hatten ergeben, dass Ruby eine fürsorgliche, aufopferungsbereite Mutter war, von der auf keinen Fall anzunehmen war, dass sie ihre Kinder jemals freiwillig aufgeben würde. Nach einigem Nachdenken war Sander dann allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass Rubys Liebe zu seinen Söhnen sein stärkstes Argument war.
„Der Platz meiner Söhne ist bei mir, die Insel, auf der ich lebe, ist ihr Zuhause, das sie eines Tages erben werden. Nach unserem Gesetz gehören sie mir.“
„ Gehören ? Kinder sind kein Besitz, und kein Gericht in diesem Land würde es je wagen, sie mir wegzunehmen.“
Panik flackerte in ihr auf, aber sie war wild entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen.
„Glaubst du das wirklich? Wo du im Haus deiner Schwester lebst, das mit Hypotheken belastet ist, die abzutragen das Geld fehlt? Außerdem hast du weder Arbeit noch ein eigenes Einkommen. Du hast ja nicht einmal einen Beruf, während ich meinen Söhnen alles bieten kann. Bei mir bekommen sie ein richtiges Zuhause, eine gute Erziehung, eine erstklassige Ausbildung und eine aussichtsreiche Zukunft.“
Obwohl sie völlig geschockt war, was er alles über sie herausgefunden hatte – er musste einen Privatdetektiv engagiert haben –, war Ruby immer noch entschlossen, sich nicht von ihm einschüchtern zu lassen.
„Gut möglich, dass du rein materiell gesehen die besseren Möglichkeiten hast. Aber kannst du ihnen auch die Liebe geben, die sie brauchen? Wohl kaum … weil du sie nämlich nicht liebst. Wie solltest du auch? Du kennst sie ja nicht einmal.“
So … darauf sollte er jetzt erst einmal antworten. Doch obwohl sie sich tapfer behauptet hatte, war ihr unterschwellig klar, dass Sander eine Wahrheit ausgesprochen hatte, die sie auf Dauer nicht ignorieren konnte. Und irgendwann würde sie gezwungen sein, dieser Wahrheit ins Auge zu blicken.
„Natürlich bin ich mir bewusst, dass sie eines Tages mehr über ihren Vater werden erfahren wollen“, räumte sie ein.
Dieses Eingeständnis fiel ihr nicht leicht. So wie es ihr auch nicht leichtgefallen war, den Zwillingen auf ihre Frage, ob sie denn einen Vater hätten, zu antworten. Sie hatte ihnen erzählt, dass ihr Daddy weit weg in einem fremden Land lebte, was ja auch den Tatsachen entsprach. Allerdings war ihr dabei zum ersten Mal richtig bewusst geworden, was es für ihre Kinder bedeutete, ohne die Liebe ihres Vaters aufwachsen zu müssen. Und eines Tages würden es nicht mehr die Fragen zweier kleiner Jungen sein, die schnell ablenkbar waren, sondern die von Jugendlichen, die sich weigerten, sich mit so einer vagen Antwort abspeisen zu lassen.
Instinktiv wich Ruby Sanders Blick aus, um zu verhindern, dass er ihre Beunruhigung spürte. Sie wusste schon jetzt, wie schwer es ihr fallen würde, den Zwillingen irgendwann die ganze Wahrheit zu erzählen. Das war ein Problem, das ihr seit Jahren auf der Seele lag. Im Moment schienen die beiden ihren Daddy
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