Zum Heiraten verfuehrt
oder?
„Ich muss dich warnen, Ruby. Ich bin nämlich fest entschlossen, meine Söhne zu mir zu nehmen. Und um dieses Ziel zu erreichen, ist mir jedes Mittel recht.“
Rubys Mund wurde trocken. Plötzlich fielen ihr Geschichten ein, bei denen ein Elternteil das gemeinsame Kind entführt und ins Ausland verschleppt hatte, sodass es dem Einfluss des anderen Elternteils entzogen war. Sander war ein sehr reicher und einflussreicher Mann. Das wusste Ruby, weil sie nach ihrer ersten und einzigen Nacht Nachforschungen über ihn angestellt hatte, in der törichten Hoffnung, dass sie ihn irgendwann wiedersehen würde. Damals hatte sie begierig jede noch so unbedeutende Information über ihn in sich aufgesogen, bis sie schließlich gezwungen gewesen war zuzugeben, dass ihre romantischen Träumereien von Sander einfach nur der Sehnsucht nach einem Retter entsprungen waren, der ihr die so schmerzlich vermissten Eltern ersetzte.
Es stimmte ja, dass Sander den Zwillingen in materieller Hinsicht unendlich viel mehr bieten konnte als sie selbst. Und vielleicht würde sie sich wirklich eines Tages vor ihren Söhnen verantworten müssen, weil sie ihnen den Vater vorenthalten hatte, wie Sander ihr so grausam prophezeite. Wodurch sie de facto verhinderte, dass die Jungen von seinem materiellen Reichtum profitierten und auch von ihm selbst als Mensch, als ihrem Vater. Es war bekannt, dass Jungen eine Vaterfigur brauchten, an der sie sich orientieren und abarbeiten konnten. Insgeheim machte sich Ruby schon seit geraumer Zeit Sorgen, weil es im Leben ihrer Söhne praktisch keine männlichen Bezugspersonen gab. Doch auch wenn sie auf irgendeine Lösung des Problems hoffte, wäre sie doch nie auf den Gedanken gekommen, dass sich diese Lösung in Gestalt des leiblichen Vaters der Zwillinge präsentieren könnte. Ruby hatte höchstens auf eine Art Ersatzgroßvater gehofft, auf nicht mehr und nicht weniger.
Obwohl sie im Grunde genommen natürlich fest davon überzeugt war, dass Kinder am besten in einer heilen Familie mit Mutter und Vater aufgehoben waren.
Mit einer Mummy und einem Daddy. Ruby wusste besser als viele andere, welch einen Schaden ein Kind nehmen konnte, wenn es diese Stabilität entbehren musste.
Plötzlich fühlte sie sich wie am Rand eines Abgrunds. Ihr war überdeutlich bewusst, dass ihre Entscheidung Leben und Zukunft ihrer Söhne einschneidend beeinflussen würde. Sie sehnte sich danach, ihre Schwestern um Rat fragen zu können, aber sie war derzeit allein. Lizzie und Charlotte hatten ihr eigenes Leben, und letzten Endes lag die Verantwortung für die Zwillinge ohnehin bei ihr. Das Glück ihrer Söhne lag in ihren Händen. Sander wollte die Zwillinge, und ihm war jedes Mittel recht, um sie zu bekommen. Das hatte er selbst zugegeben. Er war ein reicher Mann mit besten Verbindungen, dem es nicht schwerfallen würde, sich zu holen, was er als sein Recht betrachtete. Aber sie war die Mutter. Sie durfte nicht zulassen, dass er ihr ihre Kinder wegnahm, sie musste sie beschützen. Sander liebte die Zwillinge nicht, ihm ging es nur ums Prinzip. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, was Liebe war. In rein materieller Hinsicht würde er natürlich gut für die Zwillinge sorgen. Ruby war überzeugt, dass es ihnen materiell an nichts fehlen würde, aber Kinder brauchten mehr. Kinder brauchten Wärme und Geborgenheit und Liebe. Und ihre Söhne brauchten sie , ihre Mutter, die sie so gut kannte wie kein anderer Mensch auf der Welt.
Wenn sie schon Sander nicht davon abbringen konnte, seine Söhne für sich zu beanspruchen, war sie als ihre Mutter verpflichtet, sie nicht allein zu lassen. Woran Sander natürlich absolut kein Interesse hatte. Immerhin war ihr nicht verborgen geblieben, dass er sie nicht mochte, wahrscheinlich verachtete er sie sogar.
Ihr Herz begann dumpf und schnell zu schlagen, als wollte es sich gegen eine Lösung stemmen, die in ihrem Kopf langsam Formen anzunehmen begann. Aber sobald die Idee in der Welt war, ließ sie sich nicht mehr wegdenken. Sander hatte behauptet, dass ihm jedes Mittel recht sei, um seine Söhne zu bekommen. Aber vielleicht gelang es ihr ja, ihn derart zu provozieren, dass er bereit war, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen.
Die Bedingungen, mit denen sie Sander gleich zu konfrontieren gedachte, würde er ganz bestimmt nicht akzeptieren. Niemals. Davon war sie fest überzeugt. Sie stieß hörbar die Luft aus, die sie vor Aufregung angehalten hatte.
„Du bist also der Meinung, der
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