Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
Erstens wartet in der Absprungzone keine Freundin, die ihren Helden anhimmelt, sondern der Feind. Zweitens haben wir beim militärischen Springen viel Gepäck. Man springt mit den Ausrüstungsgegenständen, die man am Boden braucht. Obwohl die Operation nur eine Übung war, sprangen wir mit der vollen Gefechtsausrüstung: Waffen, Munition, Panzerweste und Kampfmontur – 30 Kilogramm Ausrüstung pro Springer. Während eines »Full Mission Profile« trägt ein SEAL beim Sprung nicht selten 45 oder gar 65 Kilogramm Ausrüstung am Leib. Satellitenfunkausrüstung, Nachtsichtgerät, Panzerabwehrraketen, Sprengladungen und Tauchgerät sind nur ein paar mögliche Elemente einer solchen »optionalen« Ausrüstung. An diesem Abend trugen wir nur unsere Schusswaffen am Leib oder hatten sie im Gepäck. Die Übung galt als »Hollywood-Sprung«, den jeder Waschlappen absolvieren konnte.
Wir legten unsere ausgebeulten, hellgrauen Jumpsuits an. Darüber schnallten wir aufblasbare UDT-Schwimmwesten (Underwater Demolition Team) und einen Pistolengürtel mit Schnellziehholster. Er gehörte zu unserer Sicherheitsausrüstung. Sie umfasste eine Glock 17 im Kaliber 9 Millimeter, vier Magazine, ein K-Bar-Messer, eine Mk-13-Signalfackel, ein Infrarot-Stroboskop und eine MP-5-Maschinenpistole von Heckler & Koch, die wir uns an den Schenkel schnallten. Diese Minimalausrüstung war unsere letzte Verteidigungslinie. Wenn es so weit kam, dass wir nur noch Schwimmweste, Pistolen und Signalfackel hatten, waren wir in einer verzweifelten Lage.
Unsere »zweite Verteidigungslinie«, die Kampfausrüstung, war in Rucksäcken verstaut und gut festgezurrt. Sie bestand aus einer wasserdichten Panzerweste, einem Verbandskasten, einer Wasserflasche, einem verschlüsselten Funkgerät, einem Headset im Madonna-Stil, einem kugelsicheren Helm, einer Kampfweste und 16 Magazinen für unsere MP-5. Auch bei dieser Übung hatte jeder Mann 480 Schuss teflonbeschichtete Hohlspitzenmunition im Kaliber .40 dabei. Die Geschosse dieser Patronen durchschlugen alle Arten von Panzerwesten, auch unsere eigenen.
Warum hatten wir bei einem Übungssprung scharfe Munition dabei? Bei den SEALs wird trainiert, wie man kämpft. Es ist sehr wichtig, dass jeder Springer mit der Ausrüstung übt, die er auch im Ernstfall dabeihat. Dazu, wie man mit gefechtsmäßigem Gepäck das Flugzeug verlässt, den Fallschirm einsetzt und mit seiner Ausrüstung landet, sind Fertigkeiten erforderlich, die man nicht erst über der Innenstadt von Bagdad erlernen sollte.
Wir legten unsere Fallschirmgurte an, dann verbanden wir die schweren Rucksäcke mit den D-Ringen vorne an jedem Gurt. Unsere gesamte Ausrüstung war mit schnell lösbaren Vorrichtungen gesichert, das heißt, Sekunden nach der Landung, waren wir voll ausgerüstet und aktionsbereit.
Während die Fallschirmwarte ihre Drahtseile legten, stellten die Air Force Combat Controller eine Funkverbindung mit »Landing Zone Green« her, einem Fußballfeld in Virginia Beach, das unser Sprungziel war. Auf LZ Green parkten drei unauffällige Chevy Suburbans des Teams. Die Männer in der Absprungzone waren unser Empfangskomitee. Sie würden die Rolle von »freundlichen Agenten« spielen und uns bei der Landung empfangen. In einer echten Operation hätten sie uns ins Zielgebiet oder zu einem sicheren Haus gefahren. Heute jedoch hielten sie lediglich per Funk mit dem Flugzeug Verbindung und warteten, bis wir zu Boden schwebten. Die Übung sollte mit der Landung meiner 12-köpfigen Kampfeinheit zu Ende sein.
Als wir mit der Überprüfung der Ausrüstung fertig waren, kam einer der Air Force Combat Controller zu mir herüber. Es sah besorgt aus.
»Die DZ meldet Wind aus Nordosten mit 35 und in Böen bis zu 55 Stundenkilometer. Die Sicht beträgt weniger als 800 Meter bei schwerem Regen. Wollen Sie abbrechen?«
»Nein«, sagte ich. »Das wird uns nicht aufhalten.«
In diesem Augenblick tauchte uns ein Blitz in grelles Licht und das Flugzeug machte einen Satz. Der Air-Force-Mann packte eine Rückenlehne, um das Gleichgewicht zu halten.
»Richtige Supermänner«, sagte er grinsend.
Die Bedingungen waren grenzwertig, ja sogar außerhalb der normalen Parameter, aber das waren nur Richtwerte. Wir waren alle schon unter schlechteren Bedingungen gesprungen. Außerdem konnten wir es noch rechtzeitig in den Raven schaffen und uns ein paar Biere hinter die Binde gießen, wenn wir die Übung zügig hinter uns brachten. Dies war meine letzte Operation und
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