Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
Triebwerksstufe an Bord nehmen sollte, ebenfalls volle 80 Kilometer südlich des Aufprallpunkts. Von ihm war also keinerlei Unterstützung zu erwarten.
Der Pilot unseres Hubschraubers war ein Air-Force-Oberst und hieß Murphy. Als wir noch etwa 15 Minuten von unserem Zielpunkt entfernt waren, rief er mich ins Cockpit.
»Ihr Jungs seid fertig zum Absprung?«, fragte er.
Ich bestätigte.
»Wir haben hier jedoch ein kleines Problem«, sagte er.
»Wie klein?«, fragte ich. Ich bemerkte, dass der Kopilot in die andere Richtung schaute.
»Unser Treibstoff wird knapp. Wir können Sie noch absetzen, aber wir können nicht so lange dableiben, bis das Bergungsschiff eintrifft.«
Das hörte ich nun gar nicht gern. »Gibt es noch einen zweiten Hubschrauber?«, fragte ich.
»Nur uns«, sagte er forsch-fröhlich. »Wir setzen Sie ab und fliegen nach Grand Bahama zurück, um aufzutanken.«
»Und was passiert dann?«, fragte ich in einem möglichst gleichmäßigen Ton.
»Wir kommen zurück und holen Sie ab.«
Das war sein Plan? Das war vielleicht mein erster echter Einsatz, aber darauf würde ich mich auf keinen Fall einlassen. Aber ich musste vorsichtig sein, wenigstens dachte ich, dass ich das sein müsste. Erst später lernte ich, wie man mit Air-Force-Obersten umgehen muss. Jetzt musste ich erst einmal unaufgeregt, aber fest und bestimmt auftreten. Ich war Ensign und er war Colonel, aber die Idee dieses Mannes konnte Menschen das Leben kosten.
»Wie werden Sie uns finden?«, fragte ich. Auf seine Antwort war ich echt gespannt.
»Wir werden Ihre Position in unser GPS eingeben.«
Ich begann allmählich zu begreifen, was der Unterschied zwischen der Air Force und der Navy war. »Sehen Sie, Colonel, ich kann meine Jungs nur dann ins Wasser lassen, wenn Sie bei uns bleiben.«
»Aus welchem Grund?«
»Weil der Aufschlagpunkt im Golfstrom liegt. Dort gibt es eine Strömung, die mit 3 Knoten nach Norden fließt. Sie können unsere gegenwärtige Position eingeben, aber wenn Sie zurückkommen, werden wir viele Seemeilen entfernt sein.«
»Aber Sie haben doch ein Boot, oder?«
»Dieses Boot ist klein und schwarz.«
»Wir werden Sie finden«, sagte er mit einem leichten Schnauben.
»Das ist nichts Persönliches, Sir, aber ich glaube nicht, dass Sie das können. Ich setze meine Jungs nicht auf dem Ozean aus, wenn sie sich nur an eine beschädigte Triebwerksstufe klammern können, die jederzeit sinken kann, in der vagen Hoffnung, dass wir nach einer kurzen Suche gefunden werden.«
Jetzt war er wirklich angepisst. Ich allerdings auch, wenn auch aus einem anderen Grund. Ich sah gerade meine SEAL-Karriere davonschwimmen. Dabei war ich noch nicht einmal ein SEAL. Und hier stand ich nun und weigerte mich, eine Operation wie gewünscht durchzuführen. Und nicht irgendeine Operation. Ich setzte gerade meinen ersten eigenverantwortlichen Einsatz in den Sand.
»Ihnen ist doch bewusst, dass sich gerade ein russisches Schiff dem Triebwerk nähert?«
»Jawohl, Sir. Und das ist ein weiterer Grund, warum ich nicht dort zurückgelassen werden möchte.« Er schaute mich mit einem verächtlichen »Wovor hast du eigentlich Angst?«-Blick an. Ich versuchte, weiterhin so ruhig zu klingen wie möglich.
»Sechs Mann in einem Schlauchboot werden die Russen kaum aufhalten können, wenn die sich das Triebwerk unter den Nagel reißen wollen«, sagte ich.
»Haben Sie Waffen dabei?«, fragte er, wobei er mich immer noch anschaute, als ob ich der Abschlussballpartner seiner Tochter sei.
»Pistolen.«
»Wir wurden hierhergeschickt, um die Booster-Stufe zu bergen«, bekräftigte er.
»Ich kann mein Team nicht einer solchen Gefahr aussetzen, bloß weil ich hoffe, dass Sie uns wiederfinden.«
Es gab eine lange Pause. Die Hubschraubertriebwerke dröhnten und die Rotoren pochten.
»Wie lange können Sie am Ziel bleiben?«, fragte ich schließlich.
»Höchstens 35 Minuten«, antwortete er.
»Okay. Ich habe einen Vorschlag. Sie bringen uns zu der Triebwerksstufe und ich springe mit einem meiner Männer ab. Wir werden dann die ganze Stufe mit C4-Plastiksprengstoff zum Sinken bringen.«
»Sie wollen sie zerstören?«, schluckte er.
»Wollen Sie, dass die Russen sie kriegen?«, fragte ich zurück. Wie in einem Film kam genau in diesem Moment am Horizont der Trawler in Sicht, der mit voller Kraft nach Norden dampfte. Trotz seiner Tarnung als heruntergekommenes und rostiges Fischereischiff war doch zu erkennen, dass es sich um ein russisches
Weitere Kostenlose Bücher