Zum Lieben verfuehrt
Kraft treten konnte.
Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten, Lizzie zu fragen, ob sie ihn begleiten wollte? Ilios hatte auf diese Frage keine Antwort, und so genau wollte er es eigentlich auch gar nicht wissen.
Seit jener Nacht war zwischen ihnen alles anders geworden. Und er selbst war auch anders, obwohl er nicht hätte sagen können, wie . Schlimm genug, dass er seine Grundsätze über Bord geworfen und mit Lizzie geschlafen hatte. Aber dass er nicht verhütet hatte, war schlicht unverzeihlich. Dabei war sonnenklar gewesen, worauf es hinauslief. Er hätte Stopp sagen müssen und war doch sehenden Auges in die Falle getappt. Warum? Weil er schon zu erregt gewesen war, um ans Aufhören auch nur zu denken? Oh, verdammt, er war kein hormongeplagter Teenager, sondern ein erwachsener Mann, der genau wusste, was er tat! Wie sollte man sich das erklären? Ausgerechnet ihm mit seinem von A-Z durchgeplanten Leben musste so ein Kardinalfehler unterlaufen. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass seine Gedankenlosigkeit folgenlos blieb, denn Lizzie ein Kind zu machen gehörte mit Sicherheit nicht zu seinem Plan.
Und dann lud er sie zu allem Überfluss auch noch ein, den Tag mit ihm zu verbringen! War er denn noch zu retten?
Lizzie wusste, dass für sie ein ganzer Tag mit Ilios Himmel und Hölle zugleich bedeutete. Wo war ihre Entschlossenheit geblieben, sich mit aller Kraft gegen das zu stemmen, was da gerade mit ihr passierte? Das überlebst du schon, versuchte sie, sich gut zuzureden. Heute war eben eine Ausnahme. Heute würde sie sich gestatten, das Glücksgefühl auszukosten, das sie in seiner Nähe empfand – nur heute. Aber natürlich würde sie sich nichts anmerken lassen. Ihm gegenüber würde sie sich ganz sachlich verhalten, so als ob er ein Kunde wäre, der überlegte, ihr einen Auftrag zu erteilen. Obwohl Ilios natürlich nicht einmal im Traum an so etwas dachte.
Der Frühling hatte Einzug gehalten, und die Quecksilbersäule am Thermometer arbeitete sich langsam nach oben. Am Straßenrand reckten bereits die ersten Wildblumen ihre Köpfe der Sonne entgegen. Als Lizzie es sah, lächelte sie in sich hinein.
Ilios war ein umsichtiger Autofahrer. Es gab also eigentlich keinen logischen Grund für Lizzie, nervös zu sein. Nun, einen logischen Grund vielleicht nicht, doch seit wann folgten die Gefühle einer verliebten Frau den Gesetzen der Logik?
Sie fuhren an den Abzweigungen nach Chalkidiki und zu der berühmten Halbinsel Athos mit dem Heiligen Berg und den Klöstern vorbei, wo nach wie vor nur Männer Zutritt hatten. Selbst weibliche Tiere wurden auf der Halbinsel nicht geduldet. Irgendwann hielten sie an, um in einer kleinen Taverne zu Mittag zu essen. Beim Essen schwiegen sie die meiste Zeit, so wie auch während der Fahrt.
Falls Ilios es bereute, dass er sie eingeladen hatte, so bereute Lizzie erst recht, seine Einladung angenommen zu haben. Sie fühlte sich zurückgewiesen und unerwünscht. Mit seinem Schweigen hielt er sie auf Abstand, und sie war zu stolz, um dieses Schweigen zu brechen.
Ilios fuhr direkt zu der Villa, vorbei an der Abzweigung, wo der Apartmentblock ursprünglich gestanden hätte.
Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, seit Ilios ihr dort zum ersten Mal begegnet war. Damals hatte Lizzies ganze Sorge ihrer finanziellen Situation und der Zukunft ihrer Familie gegolten. Ihre Gefühle als Frau hatte sie schlicht verleugnet. Und jetzt war sie verheiratet – zumindest vor den Augen der Welt. Die finanzielle Situation ihrer Familie hatte sich dadurch so deutlich verbessert, dass sie sich nur noch um sich selbst Sorgen zu machen brauchte.
Ruby hatte ihr übers Handy ein Foto von den Zwillingen geschickt, damit Lizzie die neuen Schuluniformen bewundern konnte, die ihre Schwester auf Lizzies Zureden hin gekauft hatte. Um Lizzies Mundwinkel spielte ein zärtliches Lächeln. Die beiden Fünfjährigen sahen so stolz aus in ihren grauen Flanellhosen und den rostbraunen Blazern, mit ihren kurz geschnittenen, ordentlich gebürsteten dunklen Haaren.
Lizzie liebte ihre Neffen. Sie war bei ihrer Geburt dabei gewesen, ängstlich besorgt um ihre kleine Schwester, die all die Schmerzen ohne den Beistand ihrer Eltern und den Vater ihrer Kinder hatte erdulden müssen. Doch in dem Moment, in dem die Zwillinge in ihrem Arm lagen, war alle Trauer von einer gewaltigen Welle aus Liebe und Freude hinweggeschwemmt worden.
Wenig später erreichten sie die Villa Manos. Obwohl Lizzie sie bereits gesehen hatte,
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