Zum Lieben verfuehrt
nötigten ihr die perfekten Formen, die sich gegen den strahlend blauen Himmel abzeichneten, angesichts ihrer vollkommenen Harmonie auch heute wieder tiefe Bewunderung ab.
Der sandfarbene Verputz des Anwesens passte perfekt zu dem im Laufe der Jahre nachgedunkelten Beige der Marmorsäulen des überdachten Eingangsbereichs und dem weichen Grauweiß der Fensterläden. Der Kies auf den Wegen hatte genau dieselbe Farbe wie die Säulen, während das satte Grün des Rasens das dunklere Grün der Zypressen zu beiden Seiten der Einfahrt betonte.
Ilios’ Wagen war das einzige Fahrzeug weit und breit, was darauf hindeutete, dass sein Geschäftspartner noch nicht eingetroffen war.
„Wir haben noch Zeit für eine kurze Führung“, verkündete Ilios, während er Lizzie die Beifahrertür aufhielt.
Sie gingen miteinander zum Eingang. Miteinander und doch getrennt, dachte Lizzie schwermütig, während sie zuschaute, wie Ilios die wuchtige Doppeltür aufschloss.
Über ihren Köpfen, dort, wo in Italien üblicherweise das Familienwappen und ein Motto prangten, sah man die Abbildung eines kleinen Segelschiffs.
„Alexandros Manos hat sein Vermögen mit einer Handelsflotte gemacht“, erzählte Ilios, während er seinen Blick ihrem folgen ließ.
„Dann hat er dieses Land gekauft und das Haus gebaut.“
Ilios wich einen Schritt zurück, um Lizzie den Vortritt zu lassen.
Das Erste, was ihr auffiel, war der unverkennbare Geruch nach frischer Farbe. Aus diesem konnte sie schließen, dass für die Renovierungsarbeiten kein moderner, sondern ein auf einer Kalkbasis hergestellter traditioneller Innenanstrich verwendet worden war.
Wegen der geschlossenen Fensterläden war es überall im Haus dunkel. Doch sobald Ilios Licht machte, keuchte Lizzie bewundernd. Diese herrlichen Fresken! Das war schier unglaublich. Vor ihr lag ein großer, sich über zwei Stockwerke erstreckender Innenraum, der mit atemberaubenden Wandmalereien geschmückt war.
Natürlich waren das nicht die ersten Fresken, die sie zu Gesicht bekam. Aber zweifellos die schönsten.
„Sind das Szenen aus der Odyssee ?“, fragte sie, nachdem sie sich eingehend umgesehen hatte.
„Ja.“ Ilios nickte. „Nur dass Odysseus in unserem Fall eine verblüffende Ähnlichkeit mit Alexandros Manos hat. Zu jener Zeit war es nicht ungewöhnlich, sich als den Helden aus der Odyssee malen zu lassen, eine Marotte der Reichen. Ich habe die Fresken alle restaurieren lassen. Dankenswerterweise hatten wir einige Skizzen der Originalszenen als Vorlagen. Doch wie man sieht, sind die Restaurierungsarbeiten noch nicht beendet.“ Ilios deutete auf das letzte Gemälde des ausgeblichenen Freskos, das eine Frau mit einem Stickrahmen in der Hand zeigte. Ihr zu Füßen lag ein großer Hund, der nur in Umrissen erkennbar war.
„Und das ist Penelope? Die treue Gemahlin?“, riet Lizzie. Der Sage nach hatte Odysseus’ Ehefrau ihre zahlreichen Freier mit dem Versprechen abgespeist, dass sie sich für einen von ihnen entscheiden würde, sobald sie ihre Stickerei beendet habe. Doch dann hatte sie in der Nacht alles wieder aufgetrennt, was sie tagsüber gestickt hatte, so überzeugt war sie gewesen, dass Odysseus zu ihr zurückkehren würde.
Ilios’ abwehrendes Brummen verriet Lizzie, dass er keine Lust hatte, über dieses Bildmotiv zu reden, deshalb wandte sie sich um und folgte ihm in einen kleineren Salon.
Hier war man offenbar gerade dabei, die kunstvoll verzierte Stuckdecke zu restaurieren.
„Ich musste extra nach Florenz reisen, um für diese Arbeiten hier geeignete Restaurateure zu finden“, berichtete Ilios. „Die Suche gestaltete sich schwierig.“
„Das glaube ich gern, so etwas kann nicht jeder. Man braucht dafür ein ganz besonderes Talent“, stimmte Lizzie zu.
Zwei Stunden später hatten sie ihren Rundgang durchs Haus beendet. Ilios’ Geschäftspartner hatte sich gemeldet und gebeten, den Termin zu verschieben, weil sich bei seiner hochschwangeren Frau verfrüht Wehen eingestellt hatten.
„Hoffentlich geht alles gut“, hatte Lizzie sofort mitfühlend bemerkt.
Diese Villa versprach, wirklich ein Schmuckstück zu werden – ein beeindruckendes Kunstwerk, um es genau zu sagen. Als ein Zuhause aber konnte Lizzie sie sich auch unter Aufbietung ihrer ganzen Fantasie nicht vorstellen.
„So weit draußen Kinder großzuziehen, dürfte nicht ganz einfach werden“, glaubte sie Ilios warnen zu müssen.
„Nun, ich habe ja auch nicht vor, hier zu leben.“
Lizzie schaute ihn
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