Zum Tee in Kaschmir
Gärten und Pavillons, in denen Gedichte rezitiert wurden; architektonische Wunderwerke wie das von GroÃmogul Schah Dschehan errichtete Monument der Liebe, das auch als Tadsch Mahal bekannt ist, zeugen von diesem ästhetischen Ãberschwang, der die Staatskasse leerte und schlieÃlich den Zerfall des Reiches zur Folge hatte.
Es war der Staat Kaschmir, der, an der nördlichen Spitze Indiens gelegen, im vierzehnten Jahrhundert über die SeidenstraÃe Kontakt mit der persischen Zivilisation knüpfte. Die Kaschmirer waren die Ersten, die ihre Kultur dadurch bereicherten, dass sie Einflüsse von auÃen zulieÃen. Obwohl die Türkei, Afghanistan, Iran und die Mongolei heute souveräne Staaten sind, vermischten sich deren Bewohner zwei Jahrhunderte lang miteinander, um ein Volk zu bilden, dessen kulinarisches Erbe in der südasiatischen Küche heutzutage seltsamerweise viel zu wenig Beachtung findet.
Türkische und persische Einflüsse waren es, die der Küche der Moguln mit Nüssen, getrockneten Samen, Kräutern und leichteren Gewürzen wie Kreuzkümmel und Koriander Geschmack verliehen. Die Tradition forderte, dass alle Gewürze einzeln herauszuschmecken waren. Die Mehrzahl der SoÃen basierte auf Joghurt, Kardamom und Safran. Cayennepfeffer hingegen, der den Gaumen für andere Aromen unempfindlich macht, wurde nur höchst zurückhaltend verwendet. Die Küchenchefs der Moguln setzten Cayennepfeffer jedoch gezielt ein, um zu verhindern, dass sich in bestimmten Speisen Bakterien vermehrten. Die höchst ungewöhnliche Küche Hyderabads, die eine spezielle Unterart der groÃartigen Mogulküche darstellt und die besonderes Gewicht auf Limone, Tamarinde und zitronige SoÃen legt, behandelte Chilischoten wie ein normales Gemüse. Die Schoten wurden, nachdem man sie in Joghurt und Salz gewendet hatte, in der Sonne getrocknet und anschlieÃend gebraten, um als Gewürz zu den Mahlzeiten gereicht zu werden. Frische grüne Chilischoten wurden auch als Zwischengericht serviert. Man kombinierte sie mit Tamarinde und gemahlener Sesampaste, um den feurigen Geschmack der SoÃe abzumildern und ihr Volumen zu geben.
Während die Mogulküche alles, was dem Gaumen schmeichelte, begeistert aufnahm, erlebte die indische Küche später eine Teilung. Die Hindus, gröÃtenteils Vegetarier, verehrten die Kuh als Gottheit. Die Moslems hingegen, die Fleischesser waren, schlachteten Rinder und aÃen ihr Fleisch. Ein Brahmane aus der hinduistischen Priesterhierarchie empfand es als Zumutung, eine Speise zu essen, die von einem Angehörigen einer niedrigeren Kaste zubereitet worden war. Für die Moslems andererseits hatte es überhaupt keine Bedeutung, wer das Essen zubereitet hatte. Den Hindus wiederum war es verboten, Knoblauch und Zwiebeln zu essen, die als erhitzende Komponenten angesehen wurden. Und so schien die Teilung Indiens, ein Jahrhundert nach dem Zerfall des Mogulreichs, nur die logische Konsequenz zu sein.
Das Mogulreich des fünfzehnten Jahrhunderts hatte keine starren Grenzen. Dennoch widerstand die kaschmirische Kochkunst der Verschmelzung mit anderen Küchen und behielt auf diese Art und Weise ihren geradezu magischen Reiz. Es schien beinahe so, als seien die Menschen, die die kaschmirische Kochtradition noch lange nach dem Zerfall des Kaiserreichs pflegten, noch immer echte Moguln.
In Pakistan, wo ich meine Kindheit verbrachte, überlagerten oft regionale Kochstile die kaschmirische Küche, auÃerdem war es nicht einfach, einen waza , einen kaschmirischen Bankettkoch zu finden. Die wazas hatten einen einzigartigen Rang. Nur sie selbst durften die von ihnen zubereiteten Speisen servieren, auch wenn ein Festmahl aus mehr als elf Gängen bestand. AuÃerdem verwendeten sie stets nur Fleisch, das von frisch geschlachteten Tieren stammte.
Die Ãra der Moguln inspirierte Künstler aus beiden Ländern. Sie entwarfen prächtige Kostüme, verwandelten Gedichte in Filmsongs und sie kopierten die Küche und die gesellschaftliche Etikette der Moguln. Für mich wurde die Küche der Moguln zu einem betörenden Ideal, und ein von einem kaschmirischen waza zubereitetes Menü zu genieÃen, stellte ein sowohl seltenes wie auch unvergessliches Erlebnis dar. Gleiches galt auch, wenn ich meine Mutter sah, wie sie mit den Fingerspitzen Safranfäden auseinanderzog oder ich meiner GroÃmutter dabei zusah, wie sie
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