Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
die Tür aufmachte. Sie war längst darüber hinweg, heikel und wählerisch zu sein.
Ihre Stimmung hellte sich erheblich auf, als sie Davids Auto am Rand des Feldwegs sah. Die Tatsache, daß der Weg an diesem Punkt endete und das Licht immer noch stecknadelgroß im düsteren Schneetreiben und vermutlich weit, weit weg war, paßte nicht so ganz in ihr Konzept.
Ein paarmal fiel sie hin. Jedesmal, wenn sie sich wieder aufrappelte, wuchs ihr Zorn auf David, und sie verfluchte ihre Blödheit, überhaupt hergekommen zu sein. Endlich kam die Hütte in Sicht. Polly taumelte die letzten Meter vorwärts. Sie hatte es geschafft!
Sie konnte kaum noch die Kraft auf bringen, an die Tür zu hämmern, und das Heulen des Windes verschluckte das Geräusch, das ihre Faust zustande brachte. Sie fand einen Stein und klopfte damit an. David würde sie hören, wenn sie die Tür aufbrach.
Nichts rührte sich. Polly klopfte noch lauter, aber obwohl das Licht in der Hütte brannte, war kein Ton zu hören. Das Schneetreiben wurde dichter, und auch wenn Polly sich nicht vorstellen konnte, daß sie in ernsthafter Gefahr schwebte, von der weißen Pracht begraben zu werden, hatte sie keine Lust mehr, länger in der Kälte herumzustehen. Sie probierte, ob die Tür verschlossen war. Sie war es nicht. Polly schob sie vorsichtig auf und rief: »Hallo! David, bist du da?«
Keine Antwort. Sie betrat das Haus.
Sie stand in einem langgestreckten, niedrigen Raum mit rauhen, weißgekalkten Wänden und Holzfußboden. An einem Ende befand sich ein gemauerter Kamin, am anderen eine Kochstelle. Die Flammen im Kamin loderten hoch. Polly schloß die Tür hinter sich.
Auf dem langen, gescheuerten Holztisch vor dem Küchenbereich standen keine Tellerchen und Becherchen, aber ansonsten hätten hier gut die sieben Zwerge hausen können.
Ein Ohrensessel stand näher am Feuer als der andere, und auf dem Tisch daneben lag ein Buch über Kampfpiloten im Ersten Weltkrieg – mit Lesezeichen. Das mußte David gehören. Jeder andere hätte das Buch aufgeschlagen mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch gelegt.
Plötzlich wurde Polly bewußt, daß sie entsetzlichen Durst hatte, und sie ging zum Küchenbereich. Eine Pfanne, in der vor kurzem Rühreier gebraten worden waren, weichte in der Spüle ein – noch ein Hinweis auf David. In dem mit Gas betriebenen Kühlschrank stand ein halber Liter H-Milch. Polly wusch die Pfanne ab und schüttete Milch und ein wenig Wasser hinein. Bis die Milch kochte, mußte sie etwas aufgetrieben haben, mit dem sie sie verfeinern konnte – Kakao, Honig und, so wie sie David kannte, Whisky.
Es gab keinen Honig, dafür hart gewordenen weißen Zucker, der wahrscheinlich schon hier war, als Patrick zum letztenmal seine Ferien in dieser gottverlassenen Hütte verbracht hatte. Das und ein großzügiger Schuß vom Maltwhisky, der Polly immer an die welterschütternde Nacht erinnern würde, ergab einen guten Beruhigungstrunk.
Hinter der Küche war ein kleines, eisiges Badezimmer. Dort fand Polly weitere Spuren von David vor – einen blau-gold gestreiften Toilettenbeutel, Zahnpasta, sein After-shave, an dem Polly kurz schnupperte. Sie wünschte, sie hätte es nicht getan. Der Geruch verstärkte das Gefühl der Einsamkeit und die schmerzliche Sehnsucht. Wo war David?
Sie war froh, sich in die relative Wärme des Wohnraums zurückziehen zu können. David mußte ein Masochist sein, wenn er um diese Jahreszeit hierher kam.
Polly ging herum, um sich alles anzuschauen. Mrs. Kidd würde tot umfallen, wenn sie die dicke Staubschicht auf den Fenstersimsen und die Zeichen der Vernachlässigung sehen könnte. Aber die Hütte hätte trotz ihrer spärlichen Möblierung zauberhaft sein können. Außer den Sesseln am Kamin, dem Kaffee- und dem Eßtisch mit Stühlen, standen ein Schrank und eine Kommode mit Schubladen im Zimmer. Die beiden Geweihe, die an der Wand hingen, waren zu Kleiderhaken umfunktioniert worden – Davids Bademantel hatte dort seinen Platz. Daneben schmückte ein kleines, vergilbtes und mit Fliegendreck übersätes Aquarell vom See die Wand. Offensichtlich war das Bild in seinem langen Leben des öfteren naß geworden, und das Ende eines Geweihs war abgebrochen.
In einer Ecke stand ein großes Bett, das von einem Wollvorhang abgeschirmt wurde. Daneben lagen auf einer angemalten Orangenkiste ordentlich gebügelte Taschentücher und zwei silberne Haarbürsten. Polly sah sie sich genauer an und fand Initialen – vier Buchstaben, drei
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