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Zur freundlichen Erinnerung

Zur freundlichen Erinnerung

Titel: Zur freundlichen Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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war also nirgends recht viel anders. Johann Krill war mit dieser Erkenntnis zufrieden. Das Neue, das Unerwartete, was ihn einmal in Brand und Aufruhr gesetzt hatte, war verloschen. Ohne Staunen stand er nunmehr auf dem Boden der Welt und achtete nichts mehr auf ihr. Kurzum, er wurde—gemütlich. Kam eine angenehme Sache, war es gut, kam sie nicht, war es auch gut.—
    An einem Nachmittag, als sie beim Kaffeetrinken in der Küche saßen, sagte Anna: "Es wird Zeit, daß wir wieder um Verdienst schauen."
    Und Johann nickte stumm. Er begann wieder Stellung zu suchen.
    Umsichtig und resolut wie sie war, machte sich aber auch Anna auf die Suche und an einem Tag kam sie freudig an und sagte: "Die Rienken will mich fürs Büfett. Ich kann gleich anfangen, sagt sie. S'ist ein gutes Lokal.—Was meinst du?—Unser Geld ist weg und mit einer Stellung für dich wird's noch eine Zeitlang dauern. Jetzt kannst du auch mit aller Ruhe suchen."
    Das leuchtete ein. Johann nickte wieder.
    "Die Rienken? Wo ist denn das?" fragte er dann weiter.
    Anna begann von einer Bar "Tip-Top" zu erzählen.
    "In der Quergasse," berichtete sie geschäftiger, "die Rienken kenn' ich schon lang. Ist eine nette Person. Es verkehren massenhaft Gäste dort, nur bessere Leute. Nicht so allerhand, von Hinz bis Kunz. Lauter Stammgäste… Na, was sag' ich—Fabrikbesitzer, Beamte und so Leute. Wer weiß, man kann ein gutes Geld machen, braucht sich nicht abzuschinden und kann schließlich auch für dich was ausfindig machen,—wie meinst du?"
    Johann Krill glotzte stumpf in ihre Augen.
    "Na, so hör doch, du—Patsch, hör doch!—Und die Rienken ist eine gute Person, steht zu einem," redete Anna weiter und rüttelte ihren Mann schmeichelhaft, begann wieder ihr siegendes Lachen und küßte ihn.
    "Das ist—also wieder—das Alte," sagte Johann endlich. Nachdenklich, schwerfällig.
    "A—aber geh doch, Tolpatsch! Keine Rede davon! Wer sagt denn davon was! Ich bin doch nur hinterm Büfett—nu ja, nu ja, wenn schon einer mal zu tappen anfängt und mir ein Gläschen bezahlt, Herrgott—das ist doch kein Weltuntergang," beruhigte ihn Anna und fuhr fort: "Sieh mal—Ware sind wir nun ein für allemal, ob so oder so—ob du in die Fabrik gehst oder ob ich—was anderes mache. Es kommt immer nur darauf an, daß wir uns die Sache möglichst leicht machen, daß wir noch was wegschnappen für unseren Komfort!"
    Johann Krill hatte jetzt ein wenig klarere Augen. Es war etwas wie ein aufgegangenes Licht auf seinem Gesicht. Er nickte.
    "Stimmt schon," sagte er.
    "Also sag' ich der Rienken, daß ich komme?" fragte Anna.
    "Ich muß dann auch was suchen," gab Johann statt jeder Antwort zurück.
    "Ach, du bist ja verdreht!—Ja freilich, freilich,—sofort denkt er, er muß nun wieder rackern von früh bis spät und für die Familie sorgen! Ach du, du!" lachte Anna und knüllte seinen Kopf in ihre Brust.
    Jeden Nachmittag um vier Uhr ging Anna nunmehr zur Bar "Tip-Top" der Sylvia Rienke. Spät in der Nacht kam sie stets nach Hause, roch nach Zigaretten und Alkohol. Manchmal war sie auch leicht betrunken, brachte allerhand zu essen und zu trinken mit, und dann saßen die beiden Eheleute nicht selten his zum Morgengrauen in der besten Laune beisammen und ließen sich's gut gehen.—
    In der letzten Zeit war Johann Krill etwas einsilbiger. Er saß meistens in Hemdsärmeln im Schlafzimmer und schien schwerfällig immer über das gleiche nachzudenken.—
    Ja, alles war ausgelöscht. Langweilig und trist vertropften die Stunden. Es war ungemütlich. Wenn man den ganzen Tag in der Fabrik arbeitete, verging wenigstens die Zeit schneller.
    Aber Anna zerstreute ihn immer wieder.
    Wenn sie nachmittags weggegangen war, verließ auch er die Wohnung und lungerte entschlußlos in der Stadt herum oder setzte sich in irgendeine Kneipe. Und jetzt, da er sich alleingelassen sah, unterhielt er sich auch wieder mit seinesgleichen.
    "Maschinenschlosser?" fragte ihn eines Tages ein älterer Arbeiter am
Kneipentisch.
    "Ja," antwortete Krill. "Eventuell auch zum Maschinisten zu gebrauchen?"
    "Bei Schall und Weber war ich Maschinist."
    "Mensch, bei uns sucht man solche. Geh hin. Du kannst sofort anfangen," erzählte der Arbeiter und überprüfte Krill.
    Der nickte.
    Etliche Tage nachher schlief Johann schon, als Anna heimkam. Sein Gesicht war rußig. Er schwitzte. Anna wollte ihn aufwecken, aber er drehte sich schläfrig um und schnarchte weiter. Verärgert legte sie sich ins Bett.
    In der Frühe, als

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