Zur Strecke gebracht: Die spannende Jagd nach dem Täter (German Edition)
auch. Vergesslichkeit
ist allgemeines Problem unter den Patienten. Wenn man die befragt, wissen sie nicht,
wann sie ihre Börse zum letzten Mal in der Hand hatten, ob und wie viel Geld drin
war, oder die EC-Karte im Seitenfach steckte … Ist eben schwierig. Meist sind
es die Angehörigen, die merken, dass was fehlt.«
»Ganze Börse
weg? Nur ausgeräumt? Alles Geld – oder nur bestimmte Scheine? EC-Karte ebenfalls geklaut?«, fragte
Paul im Stakkato.
»Geldbeutel
sind in wenigen Fällen verschwunden, meist wurden nur Scheine entnommen, kleine,
wenn große drin waren, hat der Täter sie stecken lassen. EC-Karten wurden nicht
entwendet oder in den Fällen, in denen sie mit dem Portemonnaie verschwanden, nicht
benutzt.«
»Gut.«
»Insgesamt
handelt es sich um 17 Diebstähle!
In sechs Monaten!« Hubertus Hauk spürte, wie ihm die Zornesröte bis unter den Scheitel
stieg. »Polizei im Haus ist nicht gut fürs Image – aber einen Dieb kann man offensichtlich doch eine ganze Weile ertragen!
Mann!«
»Ach, Hubertus.
Ihr seid eben leicht zu erkennen. Grün wie Fröschlein zwischen den weißen Kitteln.
Und bewaffnet! Schau, wenn die Bösen verpflichtet wären Schwarz zu tragen, würden
sie auch viel mehr auffallen! Vielleicht kann man da mal ein Gesetz …« Paul
Sommer grinste.
»Bald ist
Ostern. Du weißt selbst, dass vor den Feiertagen die Quote immer ansteigt. Kannst
du nicht gleich mitkommen? Du hättest was gut bei mir!«
»Hubertus!
Bei dir habe ich schon so viel gut, das kannst du bis an unser beider Ende nicht
mehr abgelten!«
»Paule – ich sehe doch, dass du längst
Feuer gefangen hast. Gib deinem Jagdtrieb lange Zügel und komm!«
»Muss ja
klappen, wenn ich mit einem auf die Jagd gehen soll, der Hubertus heißt!« Paul rotierte
einmal um die eigene Achse. Seine grauen Augen huschten wieselflink über Regale
und Schränke. Hinter seiner Stirn fasste er zusammen, was er benötigen würde. »Na
gut. Weil du so lieb bittest. Ich brauche Geld!«
»Ich auch!«
Hauk schmunzelte triumphierend. Er hatte es doch gewusst, Paul würde schon anbeißen!
»Die übliche
Stückelung. Je zweimal Fünf-, Zehn-, Fünfzehn und Zwanzigeuroscheine. Bring die
vorbei und wir legen los.«
Hubertus
nickte dem Freund zu und stürmte die Treppe im LKA hinunter. »Fünf, zehn, fünfzehn
und zwanzig Euro. Das dürfte ja nun kein Problem sein!« Er stutzte. »Mann! Dieser
Scherzkeks! Hat er mich doch schon wieder geleimt. Fünfzehneuroscheine. Ha! Ha!«
Typisch Paul, wenn der gute Laune hatte, musste man mit allem rechnen. Bloß gut,
dass er die Bestellung nicht schon telefonisch durchgegeben hatte. Glück gehabt!
Als Hubertus nach zwei Stunden wieder
bei Paul antrabte, hatte dieser bereits seine Zauberflüssigkeiten vorbereitet.
»Hier. Ich
hab schon mal die Anreibung hergestellt.«
U-Acetat,
las Hubertus auf der Pulverflasche. Aha, dachte er, nun bin ich der Einzige, der
wenigstens einen der Fangstoffe mit Namen kennt.
Für die
Schutzpolizei gab es keine chemischen Bezeichnungen. Sie erfuhren nur, dass Fangstoff
1, Fangstoff 2 oder Fangstoff 3 zum Einsatz kommen sollten. Sommer hatte jede Menge
dieser Fallenmaterialien und machte ein großes Geheimnis um deren Zusammensetzung.
»Ich habe
diese Zusammensetzung gewählt, weil das mit der Falle ja nur funktioniert, wenn
mein Stoff normalerweise an jenem Ort nicht vorkommt. In einem Krankenhaus mit jeder
Menge Chemie überall muss man das gut planen, sonst haben wir am Ende gar nichts
erreicht, aber alles verraten!«
»Klar«,
stimmte Hauk zu, das war einzusehen.
Früher hatte
Paul Sommer gern Ninhydrin oder Pyrogallo verwendet. Doch seit klar war, dass Ninhydrin
krebserregend und Pyrogallo zu unspezifisch war, weil es sich bei Kontakt mit Sauerstoff
viel zu bereitwillig braun verfärbte, konnte er die beiden natürlich nicht mehr
einsetzen. Aber glücklicherweise stand ihm ja ein ganzes Arsenal anderer Substanzen
zur Verfügung: Auramin, Fuchsin … Paul nahm einen kleinen Karton mit Geldbörsen
aus dem Schrank, verkündete: »Ich hab da schon mal was vorbereitet!«, und lachte
breit über diesen Hobbythek-Spruch von Jean Pütz. Zum Schluss drückte er Hubertus
Hauk noch ein Knäuel Einweghandschuhe in die Tasche. »Du weißt schon: Sonst wirst
du am Ende noch als unser Täter abgeführt!«, gab er ihm freundschaftlich mit auf
den Weg.
Schon am nächsten Vormittag kam
der Anruf. »Eine der Börsen ist echt weg. Liegt nicht mehr auf dem Nachttisch.«
»Ha!
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