Zurueck auf Glueck
Anekdoten des anderen.
Und wenn sie – allein – mit Freunden zusammen waren, lenkten sie das Gespräch mit sanfter Gewalt bis zu dem Punkt, an dem sie beispielsweise einwerfen konnten: »Wally hat eine Tante, die Spionin war.« Oder: »Apropos, Imogene hat mal in einem Buch aus der Bücherei einen Brief von Daniel Patrick Moynihan gefunden.«
Und immer gab es etwas zu feiern! Den Fünfmonatstag ihrer ersten absichtlichen Berührung, den Dreimonatstag ihrer ersten gemeinsamen Fahrt in einem öffentlichen Verkehrsmittel, den Zweitagestag des Moments, da sie einander das erste Mal mit nassen Haaren erblickten, den Siebenmonatsdreiwochenzweitagesvierstundentag der Sekunde, in der es Wally wie Schuppen von den Augen gefallen war.
Sie schwelgten in Erinnerungen an den soeben verstrichenen Augenblick.
225.
Tage des Glücks. (Alles klar?)
226.
Sie waren so glücklich, dass sich ihre Freunde von ihnen fernhielten.
227.
Wer wurde zuerst unglücklich (Patty nicht mitgezählt)?
228.
Wie üblich findet sich – buhu – die Antwort nicht im Haiku:
Der Tulpen Blätter
Zikadensang im Mondschein.
Schäb ' ge Sandalen?
229.
Dann vielleicht in der Himmelsschrift?
230.
In anderen Stadtteilen heiratete der Sohn von Mrs. Schine die falsche Frau, fiel Mr. del Gaizo der Schlüsselbund durch ein U-BahnGitter, erbte Victoria R. Pepall weniger, als sie sich aus dem Nachlass erhofft hatte, wurde Suzzy Hamblens edle Bettwäsche durch taiwanesische Wärmflaschen ruiniert, vergaßen Jungmimen bei Schulaufführungen ihren Text, weigerten sich Kellner, etwas anderes zu bringen, harmonierten Subjekte und Verben nicht (vorsichtig ausgedrückt), starben Frösche, Bienen auch, war das Leben, verdammt noch mal, kein Wunschkonzert (auch nicht für Patty).
231.
Es geht bergauf.
232.
Streckenweise.
233.
Für andere.
234.
»Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht«, sagte Imogene zu Harriet. Imogene und Harriet machten Überstunden. Sie tüftelten an den Prototypen für die neue Featherware Care-Kollektion.
»O Gott, o Gott, o Gott, sollten wir das nicht feiern, mit Champagner oder einem Omelette?«, rief Harriet, wovon Imogene, die mit äußerster Konzentration einen Streifen aus schwarzem Elastan über das Gesäß einer Schaufensterpuppe spannte, kein Wort mitzubekommen schien.
»Hast du die Schere gesehen?«, fragte sie und blickte sich suchend um. »Gerade war sie doch noch da.«
»Bitte schön.« Harriet reichte ihrer Chefin die Schere. »Wann hat er dir den Antrag gemacht? Los, ich will alles wissen.«
»Heute Morgen, während ich mir die Zahnzwischenräume gereinigt habe.« Imogene schnippelte an dem Elastan herum, bis von dem Streifen nur noch ein Hauch von Nichts übrig war, den sie der Puppe um die Taille wand.
»Wie romantisch«, sagte Harriet. »Hat er angeklopft, oder ist er einfach ins Bad gekommen, hat dich angeschmachtet, während du mit der Zahnseide zugange warst, und du wusstest sofort Bescheid?« Harriet führte sich immer gern das große Ganze vor Augen.
Imogene erinnerte sich höchstens an die Hälfte. Sie krempelte millimeterweise die Beinränder des Slips hoch. »Voilà! Der Antitanga«, verkündete sie stolz. »Was meinst du? Wird es nicht höchste Zeit, dass wir Frauen die Nähte unserer Unterwäsche akzentuieren, statt sie zu kaschieren?«
»Da könntest du Recht haben«, sagte Harriet. »Und was hast du Wally geantwortet? Ja, oder?«
»Erst habe ich in Ruhe meine Zahnzwischenräume zu Ende gereinigt, und dann habe ich nein gesagt.«
235.
Imogene legte letzte Hand an ihre Kreation. »Wir könnten die Säume natürlich auch noch mit Paspeln versehen«, bemerkte sie.
»Oder sogar mit Zackenlitze!«, sagte Harriet.
236.
Imogenes Telefon klingelte. Es war Wally.
237.
Er hatte einen Origamiunfall erlitten.
»Und warum rufst du mich da an?«, fragte Imogene – nicht genervt, bloß neugierig. »Willst du dir nicht lieber ein Pflaster holen?« Mit einer Geste gab sie Harriet zu verstehen, dass das Gespräch nicht lange dauern würde. Zu Wally sagte sie: »Die Heftpflaster liegen im Badezimmerschränkchen, unterstes Fach.«
»Ich wollte nur deine Stimme hören«, sagte Wally. »Sie ist wirklich tief.« Er meinte seine Wunde.
»Was ist tief?«, fragte Imogene beklommen. Der Deutungsmöglichkeiten waren gefährlich viele.
Zum Glück hatte ihr Serapi-Teppich eine braunrote Grundfarbe.
»Wal, meine Stimme hilft dir auch nicht weiter. Ich finde, du solltest sofort deinen Finger verarzten.« Imogene
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