Zurück im etwas anderen Tunesien
lieber auf die Dachterrasse in die Sonne zu schleichen.
„Halt!“ Wieder nichts! Auf dem Weg nach draußen werde ich vor dem Wohnzimmer abgefangen und aufs Sofa gedrückt. Die Familie möchte jetzt gerne mit mir meine Kochbücher durchblättern, mich erneut ein wenig ausfragen, oder mich einfach nur ein wenig anschauen. Die kleine Yasmin (Tochter von Karim) beobachtet mich besonders sorgfältig und fragt irgendwann verwundert, warum ich denn kein Arabisch spreche, das würde sie so gar nicht verstehen. Niedlich die Kleine und doch tut sie mir auch so leid. Sie hat einen seltenen Typ von Diabetes, der hier sehr schwer zu behandeln ist. Immer wieder muss sie ins Krankenhaus und die ganze Familie leidet unter dieser belastenden Situation. Besonders schwer fällt es ihr, wenn alle Kinder naschen und sie nichts von den Süßigkeiten essen darf, da diese viel zu viel Zucker enthalten. In Deutschland hatte ich ihr daher ein kleines Extrapäckchen mit diabetikergeeigneten Leckerein zusammengestellt, welche sie nun Stück für Stück genießt. Sie ist so stolz auf ihre eigenen Süßigkeiten und hat direkt gesagt, dass ich ab jetzt immer bei ihr zu Hause wohnen darf. Da weiß man gar nicht, ob man vor Rührung Lachen oder Weinen soll.
Es ist schon fast Nachmittag, als plötzlich eine leichte Hektik ausbricht.
„Ich muss mal eben unterschrieben!“ , ruft mein Mann mir zu.
Wie bitte? Was denn unterschreiben, und wo?
Ein anderer Nachbar und gleichzeitig auch Verwandter heiratet heute und braucht mal eben ein paar Trauzeugen. Na das fällt ihm ja früh ein! Die Cousins ziehen sich alle schnell um und verschwinden durch die Tür. Sehr seltsam, hier scheint ein richtiger Hochzeitsboom ausgebrochen zu sein. Aber mein Mann ist ja nett und springt für liebe Verwandte gerne mal ein.
So gute zwei Stunden später kommt er endlich wieder und überreicht mir einen Keks und ein Minigetränketetrapäckchen.
„Das haben wir als Dankeschön bekommen!“ , strahlt er.
Sieht etwas lustig aus, aber scheint von Herzen zu kommen und ich denke mir, dass jetzt meine Chance gekommen ist, mit dem Keks und dem Getränk in die Sonne zu wandern.
Wieder falsch gedacht, denn Karims Familie ist jetzt abfahrbereit. Gut die paar Minütchen kann ich eben noch abwarten. Wieso, weshalb, warum, man weiß es nicht, dauert es über eine Stunde, ehe alle im Minibus sitzen und dieser endlich losrollt. Er rollt genau fünf Meter, rollt dann komplett zurück und alle steigen wieder aus.
Was ist? „DIE TORTE!“ Oh nein, ich habe wirklich bei dieser ganzen Hektik meine Torte vergessen. Ich flitze schnell zum Wärmschrank und schaue, ob sie überhaupt noch da ist. Glück gehabt, sie ist da, sogar einigermaßen fest und kann aufgeschnitten werden. Stück für Stück wandert sie nun auf kleinen Tellerchen ins Wohnzimmer, wo nach sechzehn Stücken allerdings noch ein Haufen hungrige Restfamilie übrig ist. Ich habe keinen Krümel Torte mehr und muss sie auf die Nächste vertrösten. Als kleinen Trost stelle ich ruck zuck einen Teller mit meinen selbstgebackenen Keksen zusammen und so sind doch noch alle glücklich und zufrieden und knabbern an ihrem Gebäck.
Aber warum knibbeln die jetzt alle an den Keksen herum?
Ah, die kennen keine Oblaten und denken, das ist Papier. Sie versuchen fein säuberlich, die Oblaten von dem Rosinen-Mandel-Keksgemisch zu trennen. Ich lache und zeige ihnen, dass man das ruhig mitessen kann. Verdutzte Gesichter schauen mich an, die mir dann aber vertrauen und nun herzhaft zubeißen. Sie schmecken ihnen sogar so gut, dass sie sich noch ein paar Stücke für unterwegs einpacken, ehe der Minibus erneut vom Hof rollt.
Fliegender Wechsel! Nur ein paar Minuten später öffnet sich die Haustür erneut und einige Kinder einer anderen Tante kommen zu Besuch.
Oh man, die sind auch alle so groß geworden! Ob ich die alle erkenne?
Das müsste Souad sein, und die da Dalel und da hinten ist meine lovely Leila, mit der ich immer chatte. Ach ist das schön, sie alle endlich wieder in die Arme zu schließen.
Aber was ist das? Den inzwischen erwachsenen Damen folgt eine kleine Kinderpolonäse. Eins, zwei, drei, vier, herein spaziert! Zu wem gehören denn die?
Es sind die Kinder von Souad und Dalel. Das habe ich gar nicht gewusst! Warum hat mir das denn in den letzten Jahren niemand gesagt?
Ich bin ein bisschen traurig, weil ich für die Kleinen gar keine Geschenke gekauft habe. Und ich werde plötzlich noch trauriger, als ich sehe, wie sie
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