Zurueck in die Nacht
wechseln.
Als
ich nach Hause komme, finde ich meinen Vater schlafend auf dem Sofa im
Wohnzimmer vor. Neben ihm auf dem Tisch stehen ein leeres Glas und eine halb
leere Flasche Whisky. Genervt lasse ich mich in den Sessel neben ihm fallen.
Nach kurzem Überlegen springe ich jedoch wieder auf und räume Glas und Flasche
in die Küche, nachdem ich den verbliebenen Whisky in den Ausguss geschüttet
habe. Obwohl das höchstens ein symbolischer Akt ist, denn mir ist schon klar,
dass ich ihn nicht wirklich vom Trinken abhalten kann, wenn er es unbedingt
will.
Da
Raphael weiterhin whiskyselig vor sich hin schnarcht, begebe ich mich in mein
Zimmer und erledige meine Hausaufgaben, auch wenn mir das in Anbetracht all der
Dinge, die mich beschäftigen, eher schwer fällt. Aber da ich voraussichtlich
immer noch in etwa einem halben Jahr meinen Abschluss machen werde, muss ich
mich wohl oder übel auch um die Schule kümmern. Zwar habe ich die nächsten
Monate streng genommen schon hinter mich gebracht, aber ich muss ehrlich
zugeben, dass ich dabei so mit der Entdeckung meiner Zeitreisefähigkeiten und
anderen Dingen beschäftigt war, dass mir der gesamte Schulstoff absolut neu
vorkommt.
Nachdem
ich alles erledigt habe, gehe ich in die Küche runter, spüle das immer noch
dreckige Frühstücksgeschirr, stelle eine Wäsche an und schnappe mir dann sogar
noch den Staubsauger. Es ist nicht zu glauben, wie dreckig alle Fußböden sind.
Als wären sie wochenlang nicht gesaugt worden. Was wahrscheinlich auch der Fall
ist, denn ich habe an den Haushalt bisher nur wenig Energie verschwendet und
Raphael offensichtlich überhaupt keine. Als ich im oberen Stockwerk fertig bin
(wobei ich Raphaels Zimmer auslasse – dafür reicht meine Sohnesliebe dann doch
nicht), poltere ich mit dem Staubsauger die Treppe runter und arbeite mich dann
von der Küche durch den Flur ins Wohnzimmer vor. Doch selbst, als ich das Sofa
hin und her schiebe, wacht mein Vater nicht auf. Er grummelt nur irgendetwas
Unverständliches vor sich hin, dreht sich auf die andere Seite und schnarcht
weiter.
Mir
reißt der Geduldsfaden. Ich schmeiße den Staubsauger in die Ecke. Dann rüttle
ich unsanft an seiner Schulter. Zunächst brummt er nur unwillig vor sich hin,
doch ich gebe nicht auf. „Dad! Genug geschlafen! Jetzt wach schon auf!“
Er
murmelt etwas, das wie „Lassmichruhe“ und „Müde“ und „Rüpel“ klingt und noch
allerlei anderes, was ich lieber überhöre. Doch endlich, nach einer halben
Ewigkeit, öffnet er die Augen und setzt sich mühsam auf. Er sieht schrecklich
aus.
„Wasnlos?
Was willst du?“, nuschelt er ungnädig, als er mich erblickt. „Warum weckst du
mich? Hab grad so schön geträumt!“
„Dad,
es ist später Nachmittag!“
Er
sieht sich irritiert um. „Nachmittag? Wieso?“
„Das
wüsste ich auch gern! Ich war schon in der Schule, hab meine Hausaufgaben
gemacht, das ganze Haus aufgeräumt… und du liegst hier nur rum! Hast du nichts
Besseres zu tun?“ Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme anklagend
klingt. Aber eigentlich will ich das auch nicht. Ich finde, ich habe allen
Grund, sauer auf ihn zu sein. Schließlich ist er nicht der einzige, der
jemanden verloren hat und nicht wiederfinden kann. Obwohl – immerhin weiß ich
inzwischen so einiges über den Verbleib meiner Familie. Er dagegen tappt völlig
im Dunkeln. Gleich packt mich wieder das schlechte Gewissen.
Raphael
scheint auch zerknirscht. „Oh Mann, tut mir leid. Aber ich bin irgendwie immer
so müde in letzter Zeit… Weiß auch nicht, wieso.“
„Liegt
vielleicht am vielen Alkohol“, entfährt es mir, bevor ich darüber nachgedacht
habe.
Sein
schuldbewusster Ausdruck verstärkt sich. „So viel ist das doch gar nicht.“
„Eine
halbe Flasche Whisky? Ich finde, das ist verdammt viel!“, entgegne ich.
„Quatsch!
Das waren doch nur ein, zwei Gläschen“, fährt er mich unwirsch an. „Und wo ist er
überhaupt?“ Er sieht sich suchend um.
„Weg.“
Ich verschränke die Arme. „Und genauso wird es jedem Alkohol gehen, den ich in
Zukunft hier im Haus finde. Zumindest, bis ich glaube, dass du dich wieder im
Griff hast“, füge ich schnell hinzu, als ich sehe, dass er etwas sagen will.
„Ich habe nämlich wirklich keine Lust darauf, dass du zum Alkoholiker wirst!“
Er
sieht mich an, als wäre ich ein Fremder. „Was fällt dir ein?“, schimpft er dann
los. „Wie sprichst du denn mit mir? Vergiss nicht, dass ich dein Vater
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