Zurueck in die Nacht
bin!“
„Vergiss
du das mal lieber nicht!“, gebe ich hitzig zurück. „In letzter Zeit hast du
dich jedenfalls nicht gerade so benommen!“
Er
sieht aus, als wollte er noch etwas Scharfes entgegnen, doch dann fällt sein
Widerstand plötzlich genau so schnell, wie er aufgeflammt ist, wieder in sich
zusammen. Er sieht aus wie ein armer Sünder, und wenn es nicht so traurig wäre,
wäre es fast zum Lachen. „Okay, du hast ja Recht“, murmelt er kleinlaut. „Ich
weiß selbst, dass ich zuviel trinke.“
„Warum
tust du es dann?“
Er
starrt vor sich hin. Schüttelt den Kopf. Zuckt mit den Schultern. Kriecht immer
mehr in sich zusammen. Aber eine Antwort bekomme ich nicht.
Endlich
erhebt er sich. „Ich glaube, ich nehme jetzt mal eine kalte Dusche“, murmelt er
in meine Richtung. Dann schlurft er in Richtung Treppe davon.
Ich
sehe ihm niedergeschlagen hinterher. Ich weiß ja, was sein Problem ist. Ich
könnte ihm helfen. Außer, dass das laut Arik keine Hilfe wäre, im Gegenteil.
Aber als ich ihn wegschlurfen sehe wie einen alten Mann, fasse ich einen
Entschluss. Wenn es so weitergeht mit ihm, wenn er sich langsam, aber sicher
kaputtmacht, dann werde ich es ihm sagen.
Es
wird nicht besser. Zwar bemüht Raphael sich, mir gegenüber nüchtern und normal
zu erscheinen, aber das ist nur Fassade. Ich merke genau, dass er nach wie vor
viel zu viel trinkt. Ich rieche seine Fahne, ich finde immer wieder neue
Flaschen, auch wenn ich sie regelmäßig verschwinden lasse, und ich sehe seine
Augen. Müde. Blutunterlaufen. Leer. Mein Vorsatz, ihm nichts zu sagen, gerät
immer mehr ins Wanken.
„Na,
wieder schlecht geschlafen?“
Mein
Herz schlägt höher. Diesmal hat Patti mich auf dem Weg zum Pausenhof erwischt,
allein. Will und Bruce finden mich im Moment wohl nicht unterhaltsam genug.
„Sieht
man das?“
Sie
nickt.
Ich
seufze. „Und du? Was machen die Träume?“
Sie
sieht mich an. „Die sind… seltsam.“ Sie klingt komisch. Nicht, als sei sie zu
Scherzen aufgelegt.
Also
spare ich mir die Anzüglichkeit, die mir automatisch auf der Zunge liegt. „Seltsam?
Inwiefern?“
„Ich
weiß auch nicht. Diese Träume… Sowas habe ich noch nie erlebt.“
„Worum
geht’s denn so? Außer mir?“ So ganz kann ich es mir doch nicht verkneifen.
Ihr
Grinsen fällt etwas müde aus. „Ach, Mord, Totschlag, die ganze Palette.“
„Klingt
doch spannend. Und was bin ich? Opfer oder Täter?“ Erst, als ich es ausspreche,
fällt mir auf, dass ich mich mal wieder in gefährliche Gefilde begebe.
„Weder
noch. Wie gesagt, du tauchst nur manchmal am Rande auf. Ansonsten sind da lauter
Typen, die ich nicht kenne. Das ist ja das Seltsame.“
Mittlerweile
haben wir, ohne darüber zu sprechen, eine Bank unter einer alten Kastanie
angesteuert und uns niedergelassen. Patti wirkt wirklich bedrückt.
Ich
versuche, sie ein bisschen aufzumuntern. „Wieso? Ich träume auch öfter von
Unbekannten. Hübsche Blondinen und so. Ist doch normal.“
„Ja,
schon“, entgegnet sie, ohne auf meine Bemerkung mit den Blondinen einzugehen.
„Aber sind es bei dir auch Nacht für Nacht die selben Unbekannten?“
„Hmm.“
Ich schüttele den Kopf. „Nein. Aber bei dir?“
Sie
nickt.
„Sind
sie wenigstens interessant? Attraktiv?“
„Haha.“
Ihr ist offenbar wirklich nicht nach Scherzen zumute.
„Ach
komm schon, jetzt sei doch nicht so. Lass mich teilhaben an deinen nächtlichen
Abenteuern!“
Das
entlockt ihr endlich ein kleines Lächeln. „Das hättest du wohl gerne!“
„Bitte!“
Ich ziehe einen Schmollmund und klimpere mit den Wimpern.
Sie
belohnt mich mit einem tiefen Seufzer. „Also gut. Es sind drei, ein Mädchen und
zwei Jungs – oder Männer. Den einen kann ich nicht erkennen, weil es immer
dunkel ist, wenn ich ihn sehe. Sie ist recht hübsch und mal finde ich sie nett
und mal – hasse ich sie.“ Sie schaudert. „Keine Ahnung, wieso. Den ersten hasse
ich übrigens auch. Und dann gibt es da noch den dritten – er scheint am
wichtigsten zu sein.“ Sie schluckt und sieht plötzlich ganz niedergeschlagen
aus.
„Hasst
du ihn auch?“
„Nein.“
Sie zögert. „Den dritten – liebe ich. Verrückt, oder?“ Sie sieht mich nicht an.
Plötzlich
gehen bei mir alle Alarmglocken an. „Hat er auch einen Namen, dein Geliebter?“
Sie
sieht auf, blickt mich an und wird rot. „Ja. Und das Seltsame daran ist – du
kennst ihn auch!“
Mein
Herz klopft auf einmal ziemlich stark.
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