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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Pilz
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Instinktiv ließ sie ihre Fingerspitzen über die Verzierungen gleiten, die in den kugeligen Verschluss eingeritzt waren. In München hatte sie sie mit bloßen Auge nicht erkennen können, nun aber schienen sie den Blick hinter ihren geschlossenen Lidern zu schärfen. Aus den Lichtern formten sich Figuren. Emily riss die Augen auf.
    »Es ist eine Uhr!«, rief sie überrascht aus.
    Matt nickte ihr zu. »Was siehst du?«, fragte er noch einmal.
    Emily schloss erneut die Augen. Die Zahlen wirbelten um sie herum. »Heißt das … zwei Uhr? Nein, zwei Uhr sieben?« Sie presste die Lider noch stärker zusammen, um besser zu sehen, aber es änderte nichts. »Neunzehn«, murmelte sie. »Das ergibt überhaupt keinen Sinn … .«
    Emily sah Matt an. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    Sie hatte nicht bemerkt, dass er ihre Hand noch immer in der seinen hielt, jetzt aber hob er sie mitsamt dem Armband ein Stück an. »Darf ich?«, fragte er, und während Emily das Kettchen zögernd losließ, wiederholte Matt die Prozedur mit Daumen, Zeigefinger, Augen schließen.
    Und dann sagte er: »Wie wäre es mit dem 27. Juli 1981?«
    Emily konnte ihn nur anstarren.
    Während Matt vorsichtig ihre Hand losließ und genauso langsam seine Augen wieder öffnete, forschte sie in seinem Gesicht nach Hinweisen, die auf seine Ernsthaftigkeit schließen ließen. Oder auf seinen Geisteszustand.
    »Du meinst …« Emily ließ die Worte in der Luft schweben und überlegte einen Moment. Dann sagte sie: »Keine Ahnung, was du meinst. Was meinst du?«
    Matt fuhr sich mit beiden Händen durch seine Haare und seufzte. »Ich kann nicht glauben, dass ausgerechnet ich derjenige bin, der dir das erklären muss«, murmelte er, während er aufstand, zur Anrichte hinüberging, die Beutel aus der Kanne entfernte und Tee in zwei große Becher goss. Er reichte Emily eine der dampfenden Tassen und setzte sich abermals auf den Hocker zu ihren Füßen.
    »Der mir was erklären muss?«, hakte Emily nach. Sie umschloss ihren Tee mit beiden Händen, trank aber nicht. Sie wollte Matt nicht aus den Augen lassen. Das Feuer prasselte im Kamin, doch Emily bekam eine Gänsehaut.
    »Erinnerst du dich noch an den Moment vor der Ruine im Moor, als du ohnmächtig wurdest?«
    Emily runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Sie war also doch ohnmächtig geworden.
    Matt holte tief Luft. »Das war der Augenblick, in dem wir durch die Zeit gesprungen sind.«

11
    D er Nebel jagte ihr Angst ein. Er war so undurchdringlich wie Stoff und legte sich wie ein Vorhang über alles. Es war noch nicht Nacht, doch schon so finster. Im Kegel der Scheinwerfer waberte feuchte, milchige Luft, die die Bäume auf beiden Seiten der Fahrbahn wie einen Weichzeichner umhüllte. Hier und da markierte ein Hinweisschild den Weg.
    Quayles Blick flackerte zwischen Straße und Rückspiegel, in dem ein einzelnes Licht auf und nieder hüpfte. Er war konzentriert und wirkte gehetzt, doch plötzlich änderte sich sein Gesichtsausdruck. Das diabolische Grinsen ließ Emily vor Angst erstarren. Als Quayle laut loslachte, steuerte der Wagen wie von allein immer weiter auf die Gegenfahrbahn. Zu weit. Zu WEIT . Als aus dem Nebel ein schwarzer Baum auftauchte und alles um sie herum in grellen Lichtblitzen explodierte, riss sie vor Schreck die Augen auf.
    Emilys Lippen waren zu einem stummen Schrei geformt, aber ihrer Kehle entwich kein Laut. Diese Träume müssen aufhören, dachte sie, während sie darauf wartete, dass sich ihr Herzschlag beruhigte.
    Lass diese Träume bitte aufhören.
    Eine weitere Minute verstrich, dann setzte Emily sich in ihrem Sessel auf und sah sich um. Das Feuer war heruntergebrannt, nur mehr ein kleines Häufchen Asche bedeckte den Boden des Kamins. Die Morgendämmerung trug zaghaft Licht durch das Fenster. Sie musste mehrere Stunden geschlafen haben, wenn die Nacht schon vorbei war. Dabei hatte sie es sich nach dem Gespräch mit Matt nicht vorstellen können, jemals wieder ein Auge zuzumachen.
    Seine Stimme klang in ihrem Ohr.
    »Das war der Augenblick, in dem wir durch die Zeit gesprungen sind.«
    Sie hatte den Atem angehalten. Und sich gefragt, was sie eigentlich erwartet hatte.
    Quayles Anspielungen auf Zombies und Vampire.
    Die Ruine, die plötzlich um Jahre besser erhalten aussah als noch fünf Minuten zuvor.
    Und dann das Dorf, das nicht mehr an seinem Platz stand.
    Das Fotoalbum.
    Das vergilbte Bild von Matt, wie er hinter ihrer jungen Mutter an der Hauswand lehnte, mit dem

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