Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Vorratsschrank nicht her«, erklärte er, klopfte den Kochlöffel am Rande des Topfes ab und schloss den Deckel. Dann wandte er sich ihr wieder zu und holte Luft.
»Während sich dieses wunderbare Mahl auf dem Ofen erwärmt«, sagte er, »sollten wir uns deine Schnitte ansehen.« Matt sah ihr fest in die Augen und Emilys Lider zuckten. Die Szene in der Ruine, Quayle und das Skalpell, Fee – das alles war so unendlich weit weg, dass es beinahe unwirklich erschien.
Sie räusperte sich. »Ich denke nicht …«, setzte sie an, während sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte. »Ich …«
»Komm schon«, unterbrach Matt ihr Stottern, während er auf den Sessel zuging. Er sammelte Verbandszeug, Pflaster und das Fläschchen mit Jod ein und ließ sich auf dem Hocker nieder. Erwartungsvoll sah er zu ihr auf.
»Es ist wirklich nichts«, erklärte Emily genervt, faltete jedoch ihre Arme auseinander und ließ sich in den Sessel fallen. Alles in ihr sträubte sich dagegen, sich von Matt verarzten zu lassen, doch sie wusste, er würde nicht lockerlassen.
Matt legte die Verbandsutensilien neben sich und hielt Emily eine Hand hin. »Okay, lass sehen«, forderte er, und als sie nicht reagierte, griff er entschlossen nach ihrem Handgelenk.
Emily sog scharf die Luft ein. Sie hatte ganz vergessen, dass sich genau an dieser Stelle das Seil in ihre Haut gegraben hatte. »Oh!«, presste sie heraus.
Sofort ließ Matt sie los. »Tut mir leid«, erklärte er hastig. Er nahm die Mullbinde, wickelte ein Stück davon ab und riss den Stoff auseinander. Dann formte er aus dem einen Teil einen Ball und tränkte ihn mit Jod.
»Ich fürchte, das wird jetzt ein bisschen wehtun«, kündigte er an, während sich das Knäuel und Matts Hand Emilys Arm näherten. Sehr vorsichtig bekam er mit den Fingerspitzen der anderen Hand den Ärmel ihres Pullovers zu fassen und schob ihn nach oben. Emily schaute mit großen Augen dabei zu und schloss sie sogleich, als der Jod-getränkte Verbandsstoff die aufgeschürfte Haut berührte. Es kostete sie all ihre Kraft, nicht laut aufzuschreien, aber sie biss die Zähne zusammen und schwieg. Als sie spürte, wie Matt ihren Ärmel weiter in Richtung Ellbogen schob, öffnete sie die Augen wieder.
»Hier sieht es nicht ganz so schlimm aus«, murmelte Matt gerade. Vorsichtig tupfte er die Stellen an ihrem Unterarm ab, an denen das Blut auf Quayles Schnitten getrocknet war. Von den restlichen Striemen, selbst von dem tiefsten, war nur mehr ein hellroter Hauch zu sehen. Bevor er seine Aufmerksamkeit Emilys aufgeschürften Knien widmete, fragte er beiläufig: »Willst du mir erzählen, was er mit dir gemacht hat?«
Emily wurde ganz flau im Magen bei dem Gedanken daran, auf was Matt anspielen könnte. Als sich der Kessel auf dem Herd mit einem schrillen Pfeifen zu Wort meldete, zuckte sie zusammen.
»Nichts«, beeilte sie sich zu sagen. Matt stand auf, griff nach einer gelben Porzellankanne, gab zwei Teebeutel hinein, von denen Emily nicht wusste, wo sie herkamen, und goss das sprudelnd heiße Wasser darüber. Das Schreien des Kessels klingelte in Emilys Ohren nach.
»Ich meine, nicht mehr als das hier«, fügte sie mit einem Blick auf ihre zerschnittenen Arme hinzu. Matt setzte der Kanne ihren Deckel auf und drehte sich zu Emily um. Sie sah ihn stirnrunzelnd an. »Er hat mich verwechselt«, fuhr sie fort. »Mit meiner Mutter.«
Matt reagierte auf keines ihrer Worte, setzte sich aber wieder vor ihr auf den Hocker und hob ihr anderes Handgelenk hoch. Er berührte sie so vorsichtig, dass Emily zusammenzuckte, diesmal jedoch nicht vor Schmerz. Sie musste die Augen schließen, um sich auf ihren nächsten Gedanken zu konzentrieren.
»Er sagte, ich sehe noch genauso aus wie damals, um kein Jahr gealtert.« Emily schluckte. »Er beschimpfte Josh als … als einen Zombie.« Der letzte Halbsatz war kaum mehr als ein Hauch, aber Emily war sich sicher, dass Matt verstand. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte er den Blick auf ihr Armband gerichtet.
»Hier«, sagte er leise und tippte auf den kreisrunden Verschluss. »Leg Daumen und Zeigefinger hier hin.« Er sah zu ihr auf. Emily legte Daumen und Zeigefinger an die Stelle.
»Schließ deine Augen.«
Emily gehorchte.
»Was siehst du?«, fragte Matt.
»Gar ni…«, setzte Emily an, doch dann öffneten sich ihre Lippen vor Staunen.
Vor ihrem inneren Auge sah Emily Lichter. Zunächst weit entfernt und verschwommen, dann aber tanzten sie näher und näher an sie heran.
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