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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Pilz
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er seine Hände sinken und in seinen Hosentaschen verschwinden. »Das Erste, das dir einfällt«, forderte er sie auf.
    In Emilys Hirn brach ein Tumult los, und ein Bombardement an Fragen stürmte auf sie ein. Zeitreisen? Ernsthaft? Wie ist das möglich? Warum macht ihr so etwas? Und wie lange schon?
    Sie fegte all diese Gedanken beiseite. Es war ungeheuer wichtig, dass sie sich jetzt auf das Wesentliche konzentrierte. Von einem Moment auf den anderen war sie Teil eines Großen Ganzen geworden, dessen Bedeutung wohl erst nach und nach in ihr Bewusstsein sickern würde. Und dennoch musste sie es als gegeben akzeptieren.
    Von jetzt an.
    Punkt.
    Also fragte sie: »Wo sind die anderen?«
    Matt seufzte, dann raufte er sich die Haare. »Du hast ein Talent dafür, die kompliziertesten Fragen zuerst zu stellen«, murmelte er. Er ging hinüber zum Tisch und zog einen Stuhl hervor. »Setz dich«, forderte er Emily auf, und als sie seiner Bitte nachgekommen war, nahm er ihr gegenüber auf der Eckbank Platz.
    »Ich weiß nicht, wo das Dorf ist«, begann er, und Emilys Blick verfinsterte sich. Eine Sekunde lang hatte sie geglaubt, sie wären sich ein Stück nähergekommen, könnten vielleicht tatsächlich miteinander reden, und nun hielt er schon wieder Informationen von ihr fern. Sie holte Luft, um Matt genau dies mitzuteilen, als er die Hand hob und sie unterbrach.
    »Nein, hör mir zu«, beeilte er sich zu sagen, »ich weiß es wirklich nicht.« Emily presste die Lippen aufeinander und schwieg. Matt nahm dies als Zeichen, fortzufahren.
    »Normalerweise unternehmen wir die Zeitreisen zusammen, ganz Hollyhill. Alle.« Er zog die Augenbrauen zusammen und starrte auf das Tischtuch, als ließen sich zwischen den roten und braunen Streifen Antworten lesen. »Es geht auch nicht anders«, fuhr er fort. »Weil nicht wir entscheiden, wann, wohin und ob überhaupt, sondern … das Dorf.« Matts Blick huschte zu Emily und wieder zum Tischtuch zurück. Und wieder zu Emily.
    »Das Dorf«, wiederholte sie.
    Matt nickte.
    »Was soll das heißen? Ihr steht morgens auf, zieht euch an, und dann ruft euch das Dorf zu: ›Hey, schmeißt euch in eure Petticoats, es geht ab in die Fünfziger?‹« Das Ganze war verrückt, oder etwa nicht?
    Matts Augen leuchteten. »Nein, das heißt es nicht«, antwortete er, »es heißt …« Er seufzte frustriert. »Es ist kompliziert. Eine komplizierte, lange Geschichte.« Er warf Emily einen entschiedenen Blick zu. »Sehr lang. Und die Kurzfassung lautet: Hollyhill ist ein Dorf, das durch die Zeit reist. In den allermeisten Fällen geht es darum, Menschen zu retten. Und seine Bewohner reisen mit ihm. Es sei denn, sie entschließen sich, dieses Leben hinter sich zu lassen.« Er holte Luft. »Als deine Mutter sich damals entschloss, bei deinem Vater zu bleiben, hörten für sie die Zeitreisen auf. Außerhalb von Hollyhill ist jeder von uns nur ein Mensch wie jeder andere auch.« Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Als ich mich damals entschloss, das Dorf zu verlassen, hörten für mich die Zeitreisen auf.«
    Emily sah Matt an, und Matt sah durch sie hindurch. Wie er so dasaß, die Hände ineinander verkrampft, die Augen weit, die Lippen fest zusammengepresst. Sie begriff plötzlich, dass er noch nie mit jemandem über all diese Dinge gesprochen hatte. Womöglich hörte er selbst zum ersten Mal, was er da sagte.
    Außerhalb von Hollyhill ist jeder von uns nur ein Mensch wie jeder andere auch.
    »Was soll das heißen?«, platzte es aus ihr heraus.
    Für eine Sekunde fokussierte Matt sie mit seinem Blick, dann stand er auf und ging zum Kamin. »Ist dir kalt?«, fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, sammelte er die übriggebliebenen Scheite vom Boden und stapelte sie in der Feuerstelle aufeinander. Er zerknüllte mehrere Zeitungsseiten, legte sie unter das Holz und zündete sie an. Sofort loderten Flammen auf.
    Emily dachte schon, Matt würde nicht mehr antworten, da tat er es doch. »Es war so eine Art Auszeit«, murmelte er, und Emily wusste sofort, dass dies nur die halbe Wahrheit war.
    Ein Mensch wie jeder andere auch.
    Er vermied es, sie anzusehen. Sie entschied, das Thema fallen zu lassen.
    »Ich verstehe bloß nicht – was hat das mit … mit uns zu tun?«, fragte sie stattdessen. »Warum sind wir hier? Allein?«
    Uns. Wir.
    Matt hockte vor dem offenen Feuer und fächerte ihm mit der übrig gebliebenen Zeitung Luft zu. Für einen kurzen Moment war Emily in Versuchung, aufzuspringen, ihm das

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