Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
sich zu einem schmalen Lächeln. »Ich verstehe«, sagte er. »Aber dann und wann muss man plakativ werden, damit die Zuhörer nicht einschlafen. Das war nur ein Zitat von Nietzsche.«
»Das macht es nicht besser.«
»Nein?«
»Nietzsche war ein frauenfeindlicher Macho.«
Quayle lachte auf, laut und hart. »War er das?«, fragte er. Der Ausdruck in seinen Augen schwankte zwischen Belustigung und Begehren.
Emilys Gesicht blieb ausdruckslos. Sie fragte sich, wo Matt blieb – sie war sich so sicher gewesen, dass er ihr nicht von der Seite weichen würde, hätte sie Quayle erst gefunden, doch nun konnte sie ihn nirgendwo entdecken. Wieso fühle ich, wenn ein Frauenmörder im Raum ist, aber nicht, ob … Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da spürte sie, wie sich Wärme in ihr ausbreitete, vom Nacken her über ihren gesamten Rücken. Ihre Lippen zuckten, beinahe hätte sie gelächelt. Natürlich war er hier, was hatte sie denn geglaubt?
Sie versuchte, sich wieder auf das Gespräch mit Quayle zu konzentrieren. Was war übriggeblieben aus ihrer Arbeitsgruppe Philosophie? »Ich bevorzuge Darwin«, erklärte sie schließlich. »›Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.‹«
Quayle lachte wieder, ein widerliches, heiseres Lachen. »Das bedeutet wohl in der Konsequenz, dass jeder Eingriff gegen das Natürliche nicht zu dulden ist«, erklärte er von oben herab. »Aber was ist dann mit denjenigen, die das Skalpell benutzen, um Leben zu retten? Um die Alten und Kranken zu verarzten oder auch die Jungen vor ihrem Schicksal zu beschützen? Was ist mit denjenigen, die es ansetzen, um Herzen zu bewahren – oder das Böse herauszutrennen?«
Uh! Nun bekam Emily wahrhaftig eine Gänsehaut. Wie dreist war er, ihr gegenüber das Wort Skalpell zu benutzen. Und dann auch noch in diesem Zusammenhang. Wie sicher war er sich ihrer, dass er anfing Spielchen zu spielen?
Sie räusperte sich. »Die gleichen Kräfte, die uns zu den Sternen fliegen lassen, ermöglichen uns auch, unseren eigenen Stern zu vernichten«, sagte sie. »So ähnlich heißt es doch, oder? Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat. Ich hab’ es wohl irgendwo gelesen.«
Sie hielt Quayles Blick stand, der sie anstarrte, als sei ihm plötzlich etwas klar geworden. Ahnte er, dass Emilys Worte auf ihn gemünzt waren? Fragte er sich, was dieses Mädchen wissen konnte oder woher es ahnte, was er, Quayle, mit seinen Kräften trieb? Was auch immer es war, Emily konnte beinahe hören, wie es Klick machte in Quayles Kopf. Als sei das letzte Teil in seinem perversen Puzzle auf einmal in Position gerutscht. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und die sollte ihr bestimmt nicht gefallen.
»Sie sind ein aufgewecktes Mädchen«, sagte er.
»Vielen Dank«, antwortete Emily höflich.
»Das müssen Sie auch sein«, fuhr Quayle fort, »sonst hätte man sicher für Sie keine Ausnahme gemacht, um an diesem Kongress teilzunehmen.« Sein Blick durchbohrte sie, und Emily hielt den Atem an, sagte jedoch nichts.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
Sie blinzelte.
Was war das für eine Ausnahme, und wieso ließ Quayle das Thema so einfach wieder fallen?
»Eine Cola, bitte«, antwortete sie zögernd.
Quayle nickte ihr zu, erhob sich und ging in Richtung Bar.
»O verdammt, Emily!«
Emily zuckte zusammen. Sobald Quayle außer Hörweite war, drang Matts Stimme an ihr Ohr, leise, aber so voll unterdrücktem Ärger, dass ihr Herz augenblicklich davongaloppierte. Sie sah in Quayles Richtung – er hielt immer noch auf die Bar zu – und drehte ihren Kopf nach rechts. Einen Meter von ihr entfernt, hinter einer der mächtigen Marmorsäulen, stand Matt und funkelte sie wieder einmal an, als wolle er ihr eigenhändig den Hals umdrehen.
»Was sollte das eben? Willst du, dass er dir an Ort und Stelle die Kehle durchschneidet?«
Mit einem Ruck wandte Emily sich ab und wieder Quayle zu, der inzwischen am Tresen lehnte und in ihre Richtung sah. Sie nickte ihm zu, doch sein Blick blieb unbeweglich. Es fühlte sich an, als würde die Angst ganz gemächlich an Emilys Wirbelsäule hochkriechen. Quayle schenkte seine Aufmerksamkeit den Whiskyflaschen hinter der Bar. Offenbar waren noch einige Männer vor ihm an der Reihe, aber allzu lange würde Emily bestimmt nicht auf seine Rückkehr warten müssen.
»Wir haben nicht viel Zeit«, flüsterte sie mit so wenig Lippenbewegung wie möglich, »also spar dir deine Beschimpfungen. Hast du die anderen
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