Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Körper.
»Du solltest ihn nicht provozieren«, sagte er schließlich. Er ließ die Strähne zurückfallen, und Emily atmete wieder.
Matt wandte sich ab. »Also gut«, sagte er entschlossen, »hier ist deine Eintrittskarte zum Ball.« Er nahm einen kleinen Gegenstand vom Schreibtisch und hielt ihn Emily hin. »Du stehst auf der Gästeliste. Darf ich bitten, Mrs. Browser?«
Emily griff nach dem Namensschild und drehte es zwischen ihren Fingern.
»Woher …«, setzte sie an, aber dann besann sie sich eines Besseren. »Arme Mrs. Browser«, murmelte sie stattdessen und ließ das Schild in ihre Zebra-Clutch fallen, die sie ebenfalls in der Reisetasche gefunden hatte. Matt schob seinen Anstecker in die Brusttasche seines Jackets.
»Tust du mir einen Gefallen?«, fragte er, ohne Emily aus den Augen zu lassen.
Sie hob überrascht den Kopf. »Was für einen?«
»Unterschätze ihn nicht – Quayle, meine ich.« Er ließ eine Hand durch seine Haare gleiten. »Wir wissen, wozu er im Stande ist. Sei einfach vorsichtig, okay? Tu nichts, was dich in Gefahr bringt.«
Jetzt musste Emily trotz allem lachen. »Ich fürchte«, sagte sie, »diesen Tipp hätte mir jemand geben sollen, bevor ich in dieses Flugzeug nach England gestiegen bin.«
Sie fühlte seine Anwesenheit so deutlich, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, als sie in das orangefarbene Licht der Bar eintauchte, die Handtasche mit beiden Händen vor den Körper gepresst. Dabei scannte sie den Raum mit ihren Augen.
Er war hier. Quayle war hier. Sie konnte ihn spüren.
Die Bar hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Ort, an dem sie und Matt heute Mittag Kaffee getrunken hatten. Die matten Polster der Ledersofas schimmerten anheimelnd im gedimmten Licht der Stehlampen, und leise Klaviermusik füllte die zuvor hohle Atmosphäre des prächtigen Raums. Den Mittelpunkt aber bildete der von innen heraus beleuchtete Tresen, dessen hochprozentige Ausstellungswaren in den wärmsten Brauntönen funkelten. Auf den Hockern davor saßen ausnahmslos Männer.
Emily hatte die Theke fast erreicht, konnte Quayle aber noch immer nicht entdecken. Also schritt sie gemächlich daran vorbei und steuerte schließlich auf eine der Sitzgruppen zu, die unter den hohen Fenstern drapiert worden waren. Sie ließ sich in einem schweren Sessel nieder, schlug ein Bein über das andere und legte ihre Hände mitsamt Tasche in den Schoß. Ihr war klar, dass das ohnehin schon fürchterlich kurze Kleid mehr von ihrem Bein preisgab, als sie je freiwillig bereit gewesen wäre zu zeigen. Aber hey – sie war ein Lockvogel, oder etwa nicht?
Also los, Quayle, lass dich ködern.
Emily zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er sie finden würde. Und sie hoffte inständig, dass für Matt das Gleiche galt. Sie hatte ihn dazu gebracht, sich schon vor dem Hotel von ihr zu verabschieden, denn sie wollte nicht, dass Quayle sie mit jemandem zusammen sah. Er sollte sie als potenzielles Opfer wahrnehmen – allein und somit wehrlos. Dass sie sich in diesem Moment genau so fühlte, musste sie wohl oder übel in Kauf nehmen. Sie hatte es so gewollt, und allein von der logischen Seite her betrachtet war es sicherlich die beste Lösung. Aber.
Sie nahm an, dass Matt sich zunächst auf die Suche nach den anderen machen würde: Bestimmt wollte er sichergehen, dass Josh, Eve und ganz besonders ihre Mutter nicht auf sie aufmerksam wurden. Und noch hatten sie gute Chancen, Quayle rechtzeitig und quasi unbemerkt aus dem Weg zu räumen: Es war erst kurz vor fünf, der Empfang hatte noch nicht begonnen, und das Servicepersonal – und somit auch Josh und Esther – war sicher hinter den Kulissen mit den Vorbereitungen beschäftigt. Während sich Quayle in der Bar in Stimmung brachte. Womöglich suchte er sogar nach ihr.
»Darf ich?« Seine säuselnde Stimme ließ sie zusammenzucken, und sofort sehnte sich Emily danach, ihr Kleid in die Länge zu ziehen. Sie hatte so sehr mit ihm gerechnet und war trotzdem nicht gewappnet. Ihr Weglauf-Impuls war immens. Doch sie blieb, hob den Blick und lächelte gequält in Quayles perfekt geglättete Maske von Gesicht.
»Bitte«, sagte sie gestelzt. Ihre Stimme klang heiser. So, als habe er mit seinen eiskalten Augen ihre Kehle eingefroren.
Er nahm ihr gegenüber Platz. Stellte sein Whiskyglas auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen ab, lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände in seinem Schoß, als
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