Zusammen ist man weniger allein
war.«
»Meinst du das ernst?« fragte Camille. »Nein.«
13
Die Woche verging.
Camille wusch sich die Hände und kehrte in den Garten zurück, wo Paulette in ihrem Rollstuhl saß und sich sonnte.
Sie hatte eine Quiche gemacht. Vielmehr eine Art Mürbeteig mit ausgelassenem Speck. Vielmehr etwas zu essen.
Wie ein Heimchen, das auf seinen Mann wartet.
Sie lag schon wieder auf den Knien und grub in der Erde, als ihre alte Kameradin hinter ihr flüsterte:
»Ich habe ihn umgebracht.«
»Pardon?«
Mist.
In letzter Zeit redete sie immer mehr Stuß.
»Maurice, meinen Mann. Ich habe ihn umgebracht.«
Camille richtete sich auf, drehte sich jedoch nicht um.
»Ich war in der Küche, auf der Suche nach meinem Portemonnaie, um Brot zu holen, als ich … ihn habe fallen sehen. Er war schwer herzkrank, weißt du. Er röchelte, er stöhnte, sein Gesicht war … Ich … ich habe meine Jacke übergezogen und bin gegangen.
Ich habe mir ganz viel Zeit gelassen, bin vor jedem Haus stehengeblieben. Und wie geht’s dem Kleinen? Und dem Rheuma? Besser? Ein Gewitter im Anzug, haben Sie gesehen? Ich, die ich nicht sehr gesprächig bin, war an diesem Morgen äußerst liebenswürdig. Und das schlimmste ist, ich habe auch noch einen Lottoschein ausgefüllt. Kannst du dir das vorstellen? Als wäre es mein Glückstag. Gut, und dann. Dann bin ich doch nach Hause gegangen, und er war tot.«
Stille.
»Ich habe meinen Lottoschein weggeworfen, weil ich nie die Unverfrorenheit besessen hätte, die Gewinnzahlen abzugleichen, und habe die Feuerwehr angerufen. Oder die Sanitäter. Ich weiß nicht mehr. Aber es war zu spät. Ich hatte es gewußt.«
Stille.
»Du sagst gar nichts?«
»Nein.«
»Warum sagst du nichts?«
»Weil ich denke, daß seine Zeit gekommen war.«
»Meinst du?« fragte sie flehentlich.
»Da bin ich ganz sicher. Ein Herzinfarkt ist ein Herzinfarkt. Sie haben mir einmal gesagt, er habe fünfzehn Jahre Gnadenfrist gehabt. Tja, die hat er bekommen.«
Und um ihr zu zeigen, wie ehrlich sie es meinte, machte sie sich wieder an die Arbeit, als sei nichts gewesen.
»Camille?«
»Ja?«
»Danke.«
Als sie sich gut eine halbe Stunde später wieder aufrichtete, lächelte Paulette im Schlaf.
Sie holte ihr eine Decke.
Dann drehte sie sich eine Zigarette.
Dann säuberte sie sich mit einem Streichholz die Fingernägel.
Dann sah sie nach ihrer »Quiche«.
Dann putzte sie drei kleine Salatköpfe und etwas Schnittlauch.
Dann wusch sie alles.
Dann schenkte sie sich ein Glas Weißwein ein.
Dann ging sie unter die Dusche.
Dann zog sie sich einen Pullover über und ging wieder in den Garten.
Sie legte ihr eine Hand auf die Schulter:
»Sie werden sich erkälten, Paulette.«
Sie schüttelte sie sanft:
»Paulette?«
Noch nie war ihr ein Bild so schwergefallen.
Sie machte nur eins.
Das Allerschönste vielleicht.
14
Es war schon nach eins, als Franck das ganze Dorf weckte.
Camille war in der Küche.
»Schon wieder am Picheln?«
Er legte seine Jacke auf einen Stuhl und holte sich ein Glas aus dem Schrank über seinem Kopf.
»Bleib sitzen.«
Er setzte sich ihr gegenüber:
»Ist sie schon im Bett, meine Omi?«
»Sie ist im Garten.«
»Im Gar…«
Und als Camille aufsah, wurde er bleich.
»Oh nein, verdammt! Nein!«
15
»Und die Musik? Haben Sie bestimmte Vorlieben?«
Franck drehte sich zu Camille.
Sie weinte.
»Du suchst uns was Schönes aus, oder?«
Sie nickte.
»Und die Urne? Haben … Sie sich die Preisliste angeschaut?«
16
Camille hatte nicht die Kraft, in die Stadt zurückzufahren, um die richtige CD zu suchen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie sie finden würde. Und außerdem fehlte ihr dazu die Kraft.
Sie holte die Kassette, die noch im Autoradio steckte, und hielt sie dem Herrn vom Krematorium hin.
»Und es ist nichts zu machen?«
»Nein.«
Denn das hier war nun mal ihr Liebling. Der Beweis: Er hatte sogar ein Lied ganz für sie allein gesungen, na also.
Camille hatte die Kassette zusammengestellt, um sich für den schrecklichen Pullover zu bedanken, den Paulette ihr diesen Winter gestrickt hatte, und neulich auf der Rückfahrt von den Gärten
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