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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
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durch.«
    »Hör auf, das glaub ich nicht … Dann bist du gar nicht mehr Jungfrau!«
    Seine sarkastischen Sprüche folgten ihm bis in den Flur:
    »Und? Zieht Sie gleich am ersten Abend die Nummer mit der Migräne ab, ehrlich? Scheiße, das fängt nicht gut an, Junge.«
     
    Philibert schloß die Tür hinter sich, drehte sich um und flüsterte deutlich hörbar: »Halt die Klappe, du.«
     
    Er wartete, bis die Tablette alle Bläschen abgegeben hatte, dann störte er sie ein letztes Mal. Er meinte, sie »Papa …« flüstern zu hören. Es sei denn, sie wollte sagen »Pa… Passe«, weil sie vermutlich keinen Durst mehr hatte. Er wußte es nicht.
    Er befeuchtete erneut den Waschlappen, deckte sie ganz zu und verharrte einen Moment.
    Sprachlos, entsetzt und stolz.
    Ja, stolz.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    21
     
     
     
    Camille wurde von U2 geweckt. Sie glaubte zuerst bei den Kesslers zu sein und nickte noch einmal ein. Nein, dachte sie wirr, nein, das war nicht möglich … Weder Pierre noch Mathilde noch ihr Dienstmädchen würden Bono so laut aufdrehen. Irgend etwas stimmte nicht. Sie öffnete langsam die Augen, stöhnte über ihren Brummschädel und wartete im Halbdunkel darauf, etwas erkennen zu können.
     
    Wo war sie bloß? Was war …?
     
    Sie drehte den Kopf. Ihr ganzer Körper sträubte sich. Die Muskeln, die Gelenke und das bißchen Fleisch, das sie auf den Rippen hatte, versagten ihr den Dienst. Sie biß die Zähne zusammen und richtete sich ein paar Zentimeter auf. Sie fröstelte und war erneut schweißgebadet.
    Das Blut pochte ihr in den Schläfen. Sie wartete einen Moment, unbeweglich, die Augen geschlossen, bis der Schmerz nachließ.
     
    Sie öffnete die Augen zu kleinen Schlitzen und stellte fest, daß sie in einem seltsamen Bett lag. Das Tageslicht drang kaum durch die Zwischenräume der Jalousien, und riesige Samtvorhänge, die sich halb von der Stange gelöst hatten, hingen an beiden Enden jämmerlich herab. Ihr gegenüber befand sich ein Kamin aus Marmor, darüber ein mit blinden Flecken übersäter Spiegel. Das Zimmer war mit einem geblümten Stoff tapeziert, dessen Farben sie nicht genau erkennen konnte. Überall hingen Gemälde. Porträts von schwarzgekleideten Männern und Frauen, die über ihre Anwesenheit ebenso erstaunt zu sein schienen wie sie. Nun wandte sie sich dem Nachttisch zu und erblickte eine wunderschöne, mit Gravuren versehene Karaffe neben einem Senfglas von Scooby Doo. Sie war kurz vorm Verdursten, und die Karaffe war voll Wasser, aber sie traute sich nicht, davon zu trinken: In welchem Jahrhundert war sie gefüllt worden?
     
    Gute Güte, wo war sie bloß, und wer hatte sie in dieses Museum gebracht?
     
    Ein Blatt Papier lehnte gefaltet an einem Kerzenständer: »Ich habe nicht gewagt, Sie heute morgen zu wecken. Ich bin zur Arbeit gegangen und komme gegen sieben Uhr zurück. Ihre Kleider liegen über dem Lehnstuhl. Im Kühlschrank ist etwas Ente, und am Fußende steht eine Flasche Mineralwasser. Philibert.«
    Philibert? Was machte sie nur im Bett dieses Jungen?
    Hilfe.
     
    Sie konzentrierte sich, um Fetzen der Erinnerung an unwahrscheinliche nächtliche Ausschweifungen heraufzubeschwören, doch ihre Erinnerungen gingen nicht über den Boulevard Brune hinaus. Sie saß zusammengekrümmt an einer Bushaltestelle und flehte einen großen Typen im dunklen Mantel an, ein Taxi für sie anzuhalten. War es Philibert? Nein, und doch … Nein, er war es nicht, daran würde sie sich erinnern.
    Jemand hatte die Musik abgestellt. Sie hörte Schritte, ein Grunzen, eine Tür, die zufiel, eine zweite, dann nichts mehr. Stille.
    Sie mußte dringend wohin, wartete aber noch einen Moment, horchte auf jedes erdenkliche Geräusch und war schon von dem Gedanken erschöpft, ihr armes Gerippe zu bewegen.
    Sie schob die Decke weg und schlug die Steppdecke zurück, die ihr schwer vorkam wie ein toter Esel.
     
    Als sie die Füße auf den Holzfußboden setzte, krümmten sich die Zehen. Zwei Hausschuhe aus Ziegenleder erwarteten sie an der Teppichkante. Sie stand auf, sah, daß sie das Oberteil eines Männerpyjamas trug, schlüpfte in die Hausschuhe und legte sich die Jeansjacke um die Schultern.
    Vorsichtig drehte sie am Türknauf und fand sich in einem riesigen, ziemlich dunklen Flur von mindestens fünfzehn Metern Länge wieder.
    Sie machte sich auf die Suche nach der Toilette.
     
    Nein, das hier war ein

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